Grün statt grau. Natur statt Blech.

Begrünung sollte für jeden Balkon eine förderliche Idee sein. Doch bei 6 mkann die nutzbare Fläche durch das Ensemble der vielen Töpfe schnell wieder flöten gehen. Geranien-Blumenkübel ans Außengeländer zu hängen und als Sichtblende Plastik-Wellblech, ist schon rein gestalterisch Blech und eindeutig zu spießig. Also was tun?

Ich wagte ein Experiment. Einen weißen Kunststoff-Terrakotta-Topf, Höhe 30 cm, Durchmesser 35 cm, teilte ich senkrecht sauber in zwei Hälften. Nachdem ich den Topfboden mit Einkerbungen für die Balkonstreben versah, passte ich die größere Topf-Hälfte an die Außenseite des Geländers, die kleinere an die Innenseite. Wunderbar. Passt. Vorher bohrte ich noch Löcher für die Schrauben in die Topfhälften, um sie mit waagrecht, rundum-innenliegenden, perforierten Stahlbändern wieder zu neuer deutscher Einheit zu fixieren.

Der Topf steht jetzt also nicht auf dem Balkonboden oder hängt luschig am Geländer. Er „schwebt“ mitten im Balkongeländer. M. C. Escher lässt grüßen. Die Stahlbänder sind von innen mit den Balkonstreben verschraubt, so dass der Topf im Härtetest selbst massiven Body-Checks meines Nachbarn und Ex-Eishockey-Profis, Robert standhält. Alles super in Sachen Standfestigkeit und Sicherheit.

Zusatz-Vorteil des schwebenden Prozesses: ca. 10 cm über dem Balkonboden auf einer Waagrecht-Strebe hinterlässt der Topf keine Wasserabdrücke und Standspuren. Bei Bedarf kann der Balkon locker ganzflächig sauber gefegt werden.

In den Topf pflanzte ich einen Strauch unbekannten Namens, den ich mir von meiner geschätzten Kollegin, Dr. Beate, aus ihrem Großgarten am Hofweg schenken ließ. Ein paar Tage wartete ich ab, wie sich die Pflanzung entwickelt. Das Aufblühen und rasante Wachstums bestätigten mir, das Buschwerk schien dankbar für die Umpflanzung und fühlte sich sauwohl in meinem Balkongeländer. Was natürlich auch daran liegen könnte, dass es auch für einen Strauch im coolen Winterhude einfach aufregender ist und viel mehr zu gucken gibt, als in einem Uhlenhorster Hinterhof.

Nach dem ersten Topf folgte ein zweiter gleichen Prinzips. Und ein dritter, vierter noch größerer, Höhe: 45 cm, Durchmesser: 60 cm. Zwischen den Töpfen installierte ich formschöne Holzobjekte: Baumstamm-Scheiben, -Ecken die man beim Mountain-Biking im Wald findet – idealerweise nach eben stattgefunden Fällarbeiten.

So ist aus einem Bierkistenabstellplatz neuer, sonniger Wohnraum entstanden. Laut Zollstock noch immer nur 6 m– doch gefühlt wie 60 mFreude. Dessen Wirkkraft im öffentlichen Raum kollektives Stadtteil-Erlebnis ist. Und die parkähnliche, individuelle Sichtblende zum ganzen davor parkenden automobilen Blech, ist auch nicht verkehrt.

Sam Lazay | lebalcony