Goldene Oktober-Sonntage, voll von Freuden der Entschleunigung und köstlicher Beschäftigung. Kaum in einer anderen Jahreszeit macht es so viel Spaß zu kochen, wie im Herbst. Draußen wird es frischer. Drinnen gemütlicher. Vor der Küchenfensterfront stürmen Winde, wehen Blätter. In der Küche läuft loungiger Sound und ein feiner Roter. Perfekt.
Ich liebe es, schöne Abendmahle zu bereiten. Das muss gar nichts Abgefahrenes oder Aufwendiges sein. Wichtig ist nur, dass es ober-lecker ist. Und meinem Anspruch als Kreativer gerecht wird, etwas Besonderes oder gar Neues zu sein. A propos „Neu“, dafür habe ich mir für heute einen Klassiker ausgedacht, den wir bestimmt alle noch als gute, alte, deutsche Wertarbeit von unseren Omis kennen: die Rinderroulade. Gespannt, ob man die wohl „neu“ interpretieren kann? Man kann!
Fünf Freunde inspirierten mich zu einem verheißungsvollen Rouladen-Novum.
Erstens: Mal wieder, wie schon so oft: Frau Heuer, meine Lieblingskassiererin des Edeka-Marktes am Mühlenkamp 45. Schon seit Jahren hat mich die wunderbare Frau Heuer süchtig nach speziellen Hamburger Gewürzgurken mit dem sinnigen Namen Omas Gurken gemacht, die mir Frau Heuer bereits im letzten Jahrtausend empfahl und von denen ich bis heute nicht mehr runterkomme. Hallo, Edeka-Buchhaltung! – ja, ich bin das, der die Regalabverkäufe von Omas sauren Gurken bei euch durch die Decke gehen lässt. http://www.schudeisky-gurken.de/
Zweitens: Freund Robert, der mir für das Weißwurst-Catering unseres letzten Wiesn-Drehs diesen großartigen Original Bayerischen Süßen Senf aus dem schönen Rosenheim mitbrachte. https://lebalcony.de/ozupft-is-wiesn-styling-trends-2018/
Drittens: Als Freund von Freund Robert stellte sich die Metzgerei Geiselhart auf dem samstäglichen Hamburger Goldbekmarkt heraus. Auf mein Begehr nach vier Rinderrouladen aus der Oberschale erhalte ich von der Dame hinterm Tresen erstmal ein Oberklasse-Lächeln. Mit Ober-Potential zur Hollywood-Karriere und Ober-Ambition fürs Vogue- oder Feinschmecker-Cover. Oberschale gibt’s natürlich auch.
Sprich: vier makellose, extra-große, ober-zarte Scheiben aus der inneren Rinderkeule, die danach schmachten, gefüllt, gerollt, gebraten und genossen zu werden. Oberlecker versteht sich. Dass mich die Ober-Chefin von Geiselhart höchst persönlich bedient, stellt sich erst nach unserem kleinen Schnack zu Speck nach Lardo-Art und meinen Rouladen-Plänen heraus: Nadine Geiselhart, das wohl ober-sympathischste Gesicht der Hamburger Metzgers-Zunft. Wie mich Freund Robert bereits briefte: Geiselhart – hart in Kontrolle, zart im Genuss. Was auch für die hauchdünnen Scheiben Lardo-Speck gilt, mit dem ich mich hier ebenfalls versorgte.
Viertens: Freundin Anja aus Barcelona, die es schon immer mochte, wenn ich ihr Zwiebeln, egal in welcher Konstellation, vorher anschmorte. Selber liebe ich zu Deftigem auch rohe Zwiebeln. Aber für meine Sonntags-Rouladen-Kreation, da sagte mir eine innere Stimme: „Schmore sie! – das macht Rouladen zart wie Aphrodites Waden – schmackig wie von Lukullus’ Gnaden“. Wer weiß, vielleicht war es ja auch Anjas Stimme, die mir das flüsterte. So genau kann ich das jetzt nicht mehr sagen.
Fünftens: Compañero Gigi el Amoroso, ebenfalls Barcelona. Mein ganz persönlicher Barcelona Native-Top-Insider für Kultur-, Gourmet- und andere Lebensfragen arbeitet in der Gaudi-Metropole als DJ und Producer. Für das Rouladen-Projekt in Hamburg Winterhude hat sich Gigi mittels musikalischer Web-Beschallung zugeschaltet und den Rouladen ihren einzigartigen Ritmo mediterano verliehen.
Kurz: Gereicht werden sollen:
Oma-Gurken-Senf-Süss-Lardo-Dünst-Zwiebel-Rouladen inspired by Gigi el Amoroso.
Als Tischdame hat sich keine Geringere als Fr. Dr. Beate zu Hofwegfreuden angemeldet. Fr. Dr. kam wie gewohnt in bester Laune, trug einen atemberaubenden Hosenanzug, ziemlich spitze Stiefel und einen spätsommerlichen Hauch von Opium Floral Shock. Die Rouladen waren längst fertig und gingen im Ofen noch ein wenig in sich, um dann im entscheidenden Moment des Vorhang-Aufs! – ihre ganze Kraft samt betörendem Aroma zu entfalten. Kraft meines bescheidenen Naturells würde ich natürlich selber nie meine Werke loben. Daher lasse ich einfach Fr. Dr. Beate zu Worte kommen.
Zitat: „Ohhh… Mmmm… Ahhh… Das ist jetzt kein Pornokaraoke“ ließ mich Fr. Dr. wissen, „das ist inbrünstiger Lobpreis“. Ja, Fr. Dr.’s Komplimente sind immer wieder eine ganz besondere Auszeichnung.
Sollte der eine oder die andere die „ Oma-Gurken-Senf-süss-Lardo-Schmor-Zwiebel-Rouladen inspired by Gigi el Amoroso“ nacherleben wollen, hier der Weg dorthin:
Essenzielles:
Pro Portion zwei Rinderrouladen aus der Oberschale (euer Metzger erklärt euch gerne, dass das ein Teil der Rinderkeule ist, der wesentlich üppigere Fleischlagen hergibt, als zum Beispiel die Unterschale. Die geht auch, aber dann sollte man besser gleich drei oder vier Rouladen pro Portion machen. Doch zum Rollen ist die Oberschale viel einfacher – weil viel größer.)
Pro Roulade:
eine mittelgroße Zwiebel
+ je eine von Oma Schudeisky Gurken (gibt’s in Nordeutschland bei Edeka)
+ je zwei Scheiben hauchdünnen Lardo-Speck (hat euer Feinkost-Metzger)
+ je ½ EL süßen Senf
+ je ½ EL Dijon-Senf
+ eine Knollensellerie
Weiter:
zwei Karotten
drei Stränge Frühlingszwiebeln
Olivenöl
Rotwein (es muss kein 59-er Château Mouton Rothschild sein. Nur gut sollte er sein!)
Salz, Pfeffer
ein Lorbeerblatt
Küchengarn
+ Die felsenfeste Überzeugung „Omi ist die Beste! – doch in Sachen Rouladen ist das letzte Wort noch nicht gesprochen!“
Die Werdung:
Die Rinderrouladen aufrollen, mit kaltem Wasser auswaschen, mit Küchenkrepp trockentupfen. Gegebenenfalls so platt wie möglich klopfen. Z. B. mit einer schweren Pfanne und dem Fleisch zwischen zwei Frischhaltefolien. Die Hälfte der Zwiebeln schneiden wir in Halbmonde, den Rest würfeln wir fein für die Sauce. Omas Gurken schneiden wir der Länge nach in dünne Streifen. Schere und Küchengarn halten wir griffbereit.
Die ausgebreiteten Rouladen mit Senf ½ Süsser, ½ Dijon bestreichen, salzen und pfeffern. Auf jeder Roulade mittig die geschmorten Zwiebeln, zwei oder drei Scheiben Lardo-Speck sowie Oma Schudeisky’s Gurkenstreifen verteilen.
Dann die Rouladen von links und rechts etwas einschlagen, damit nichts ausbüchst! Jetzt die Rouladen straff aufrollen und mit dem Küchengarn verschnüren.
Eine Pfanne, idealerweise Gußeisen, heiß werden lassen, Olivenöl dazu, die Rouladen rundherum anbraten bis außen eine deutliche Braun-Verfärbung festzustellen ist. Wenn so geschehen, Rouladen aus der Pfanne nehmen und in einen Schmortopf umtopfen.
Die Pfanne mit den Bratenspuren genauso lassen. Darin die klein geschnittenen Sellerie, restlichen Zwiebeln und Möhren anbraten. Frühlingszwiebeln brauchen nicht so lange. Daher erst auf halber Strecke dazugeben. Sobald alles halbwegs angeschmort ist, kurz rühren, und ein halbes Glas Rotwein darüber. Nicht mehr rühren, sondern den Wein verdampfen bzw einziehen lassen. Sobald das Gemüse dann wieder trockenbrät, wieder ein halbes Glas Rotwein drüber, kurz rühren und weiter verdampfen lassen. Das Ganze wiederholen wir, bis eine 1/2 Flasche Wein eingezogen ist. Der Rest der Flasche dient der Stimulanz des Küchenpersonals. Das Gemüse soll schön angebräunt, aber nicht trocken werden. Ein Prozedere, dass sich wunderbar in Geschmack und Farbe der Soße auszeichnen wird.
Am Schluss einen guten Schuss Oma Schudeisky Gurkensud in den Schmortopf zu den Rouladen geben. Den Topf bei ca. 160 Grad im Backofen für 1 1/2 Stunden schmoren lassen. Ab und zu evtl. etwas Flüssigkeit zugießen.
Nach 1 1/2 Stunden schauen, ob die Rouladen schon weich sind. Einfach per Kochlöffel draufdrücken. Sollten sich die Rouladen nicht geschmeidig eindrücken lassen, nochmal ein halbes Stündchen weiterschmoren. Wenn fertig, herausnehmen und warm stellen.
Die Flüßigkeit durch ein Sieb geben. Das Gemüse passieren. Mit der Flüssigkeit aufkochen und mit Wasser oder Rotwein zu einer Soße verrühren bis die gewünschte Konsistenz erreicht ist.
Nebenher handgeschabte Spätzle zubereiten, servieren fertig. Handgeschabte Spätzle zu machen, ist super einfach. Wenn man weiß, wie’s geht…
Buen provecho,
Sam Lazay, lebalcony
Rouladen, zart wie Aphrodites Waden…. den Spruch muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen…
Bettina, das war mir vorher auch nicht so bewusst. Aber wir lernen doch immer wieder gerne dazu. Besos y hasta luego, guapa
Bis auf die Gurken klingt das sehr köstlich
Mir wäre demnächst nach einem köstlichen Sauerbraten mit Rotkohl und Klößen – jetzt weiß ich ja, wo ich das passende Fleisch aufreißen kann
Und der Waschmaschinenwasserfilter-flüsterer hat ja noch was gut bei mir
Manu, die Gurken sind das Leckerste. Die Sauerbraten-Geschichte hört sich aber auch verheissungsvoll an. Und wenn’s mal wieder irgendwas zu Flüstern gibt, immer wieder gerne. Ich bin zu allem empathischen Handanlegen bereit. Zum Beispiel bei deiner MV Agusta Brutale 1090 RR. Ich spüre es förmlich, dass ich da ganz dringend mal nach dem Kühlwasserfilter schauen und auf der A1 einen ausgiebigen Kühlwasser-Sicherheits-Test ausfahren sollte. Dein Wohlbefinden liegt mir wirklich sehr am Herzen, Manu. Und das kann nicht jeder von sich behaupten. Wir dürfen uns daher glücklich schätzen, dass wir unter einem Dach wohnen und an so vielen synergetischen Energien partizipieren.
An den neuen Ago lass ich nur Wasser und wenn er nicht mehr möchte den Sam 😉
Nur Fahren oder testen darf ihn außer mir niemand – das ist sehr schade für die restliche Welt – aber in diesem Fall bin ich Egoistin.
Dafür teile ich demnächst den Sauerbraten aus.
Ps: denk an den Tür – flüsterer am Donnerstag 😉
Manu, cool, deine Reminiszenz an einen Slogan, den ich seit Ewigkeiten nicht mehr gehört habe. Den bis heute aber trotzdem fast jeder kennt. Und was Ago angeht, den will ich ja nicht fahren. Das wär’ mir viel zu gefährlich… Nein, aus reiner Nachbarschaftsliebe würde ich mich lediglich anbieten, ihn zur Gewährleistung deiner persönlichen Sicherheit und Unversehrtheit zu testen. Nur damit du die Gewissheit hast, dass alles ok ist, falls du das nächste Mal mit 300 in der Kurve liegst und deiner Maschine nicht plötzlich ein verstopfter Wasserfilter den Vortrieb blockiert. Ansonsten sind Sauerbraten und Türflüsterer notiert.
Liebe Manu, lieber Sam. Beim Heizen auf Feuerstühlen kann ich leider nur am Strassenrand stehen und Startfahnen schwingen. Da bin ich gänzlich ungeeignet, als Fahrer zu brillieren.
Was allerdings das gut gelaunte Verzehren von Sams Schmorereien anbelangt, bin ich mehr als prädestiniert. Ich kann gut essen, gut schmecken und – wie ich eben lesen konnte – verdammt gut riechen. Und weil Sam und ich uns hervorragend verstehen, können wir uns auch ausgezeichnet unterhalten. Was regelmässig zu vielen leeren Rotweinflaschen und einem recht vollen Gast führt.
Und sollte eine Session mal nüchtern und vor Drei enden, dann muss ich meinen Stammplatz – auf dem Gesicht von König Juan Carlos – ohne Murren räumen. Denn so eine leckere und aufwendige Kocherei gehört sich einfach ausgiebig gewürdigt und gefeiert. Und diese Fähigkeit besitze ich recht gut. Rheinland kann was! Und Sam, bist du bitte so nett, das Geheinmis meines Stuhls zu verraten?
Und meinen Dank an deine wunderbaren 5 inspirierenden Freude, die ich ja auch alle kenne. A bientot!
Bea, bei soviel Lobpreis freu ich mich ja um so mehr aufs nächste Gelage. Um der Welt das Geheimnis der Liaison von Bea und König Juan Carlos I. zu lüften: Bea speist bevorzugt auf einem meiner mindestens 150 Jahre alten Luis Philippe-Stühle, die also bereits doppelt so betagt sind, wie Juan Carlos selber. Ein törichter Handwerker branntmarkte einen der Stühle vor ein paar Jahren mit einem unschönen Brandloch. Den Handwerker musste ich damals natürlich auf der Stelle erschlagen! – sorry, sollte heißen „verklagen“ – aber verdient hätte er es, der Tölpel. Nachdem ein Versicherungs-Antiquitäten-Gutachter vorbeikam, mir Alter und Echtheit der Stühle bestätigte und mir zum Kauf gratulierte, stellten wir fest, dass eigentlich alle meine zehn Luis Philippe-Stühle neu bezogen werden müssten, damit sie mit dem neuen Bezug ihrer Corporate Identity gerecht würden. Das wiederum, so der Gutachter, könnte schwierig und ein langwieriger Prozess werden. So einigten wir uns auf eine angemessene Abschlagsregulierung für den einen Stuhl als Teil von zehn. D.h.: ich hätte dann von zehn Stühlen nur noch neun gehabt. Wäre ich nicht auf eine ziemlich pfiffige Idee gekommen, das Brandloch selber auszupolstern und auf die Sitzfläche mit Spezialkleber eine Briefmarke von Juan Carlos I. samt entsprechender Schutzfolie zu kleben. Das sieht lustig aus, weil jeder denkt, die Briefmarke seiner Majestät wäre gerade zufällig auf den Stuhl gefallen. Und Bea sitzt, speist und genießt eben gerne königlich.
So isses. Und das verleiht Dinner und Abend immer noch eine zusärzliche Note.
Vielleicht sollte ich alle Stühle mit diesen Juan Carlos Briefmarken veredeln. Dann wäre die CI noch konsequenter.