Das hört man seit einigen Monaten jetzt regelmäßig. Über die Gegensprechanlage bei uns im Haus. Gern auch: „Hi, Airbnb! – could you please open the door!“ Oder einfach nur:
Ding-Dong: „Airbnbihihiiiiii…“ Auch mal ganz problemlos mitten in der Nacht. Wie kommt es zu dieser Schwemme, neuer, nachbarschaftlicher Klingel-Kontakt-Konstellationen?
Nachdem eine Miteigentümerin bei uns im Haus mit unbekanntem, neuen Wohnsitz ausgezogen ist, hielt sie es für angebracht, ihre Wohnung als Ferienwohnung zu vermieten. Nicht manchmal. Oder in den Ferien. Sondern das ganze Jahr. Tageweise. An immer wieder neue, anonyme Touristengruppen unterschiedlichster Sozialcouleur. Via Internetportal Airbnb werden die vielen, mehr als nachvollziehbaren Vorteile unseres Wohnhauses gepriesen:
https://www.airbnb.de/rooms/17809137?location=Hamburg%20Winterhude%2C%20Hamburg&s=_PfLqdiB
Vom super-schnuckeligen englischen Liebespärchen bis zur siebenköpfigen Vollproll-Delegation aus wirtschaftlichen Notgebieten ist da an Klingel-Neukontakten an deiner Haustür alles dabei. Die Leute müssen ja schließlich irgendwie ins Haus kommen, um dann am Doorsafe der entsprechenden Wohnung per Zahlencode an den Wohnungsschlüssel zu gelangen. Ding-Dong! Ding-Dong! Ding-Dong! … – irgendeiner wird schon aufmachen. Unter Marketing-Aspekten erzielen dabei die Protagonisten, die bereits alkoholisiert, idealerweise singend, bei dir klingeln natürlich deutlich höhere Aufmerksamkeits- und Erinnerungswerte (Marketing-Neudeutsch: Attention- und Recognition-Values im Awareness-Set).
Nach jahrelanger Vorarbeit vieler engagierter Mitbewohner und Eigentümer dürfen wir uns – abgesehen vom neuen Herbergsbetrieb – über eine richtig gut funktionierende House-Community freuen. Das hat man nicht immer. Mo besucht mich auch mal in Barcelona, Manu bringt spontan aus Frankreich palettenweise Kronenbourgh mit, um in Hamburg das Frankreich-WM-Finale zu schauen. Viktoria pflegt meinen balkonisierten Stadtpark, wenn ich längere Zeit im Ausland bin. Araceli macht das auch, wenn Viktoria nicht kann. Und Araceli ist immer die erste, die sich meldet, wenn es Community-News zu verkünden gibt. Mit Peter überprüfe ich in umliegenden Bars regelmäßig das Deutsche Reinheitsgebot. Ulla schraub’ ich immer wieder gern was an, wenn’s irgendwo klemmt. Otto und Karen backen ganz vorzüglichen Kuchen. Mit Mounir pflege ich interkontinentale philosophische Begegnungen. Nur mit Rien war ich lange nicht mehr essen, aber Rien ist eben noch häufiger unterwegs als ich es bin. Sollte Rien diesen Beitrag lesen, dann mein Lieber, freue ich mich, wenn wir mal wieder im Goldbeker oder Kleinen Speisesaal auf einen feinen Happen treffen.
Unsere internationale, sechs-nationalitäre Hauskultur steht gegenüber Gästen stets offen gegenüber. Martina aus Kapstadt, Anja, Belen, Christina aus Barcelona, Matt und Lisa aus London, Roswitha aus München… Alles immer wieder gern gesehene Freunde und Besucher in meiner Wohnung.
Problem ist nur, wenn du nachts aufwachst. Weil ein vermeintlicher Einbrecher seit fünf Minuten versucht, sich um zwei Uhr früh an DEINER Tür Zutritt zu DEINER Wohnung zu verschaffen. Das in Hamburg eingebrochen wird, wie nichts Gutes, ist längst kein Geheimnis mehr. Also ziehst du dir, der Höflichkeit halber, zumindest eine Hose an, greifst dir einen möglichst impressionanten Schlaggegenstand, reißt von innen – per Überraschungsmoment – deine Tür auf und gibst dem, der sich um zwei Uhr früh an deiner Wohnungstür zu schaffen macht, mittels empathischem Schuppser, der gerne durchs halbe Treppenhaus befördern darf, unmissverständlich zu verstehen, dass du nicht geneigt bist, dich von ihm berauben zu lassen.
Wenn du dann ein wimmerndes Etwas vor dir hast, das dir in schlechtem Englisch zu verstehen gibt, von Airbnb zu sein und sich vermutlich in der Tür geirrt hat, musst du natürlich – schneller als ein Porsche-Doppelkupplungsgetriebe – auf deeskalierenden Moderations-Modus umschalten, um deinem nächtlichen Gegenüber zu erklären, dass das hier ein Wohnhaus und kein Hotel ist, dass man grundsätzlich immer bestrebt ist, neue, tolle Menschen kennenzulernen, aber nicht durch den Umstand, dass sie bei dir um zwei Uhr nachts einbrechen wollen.
Wenn dann alles geklärt ist, hängt es vom Sympathiewert des Airbnb-Kunden ab, ob du ihm den Weg in seine Airbnb-Herberge weist – oder den Ahnungslosen mimst, und deinen nächtlichen Airbnb-Kontakt mitteilst, dass er sich nicht nur in der Tür sondern im ganzen Haus getäuscht haben muss. Und dass er am besten mal seine Vermieterin aus dem Bett klingeln sollte. Ich hielt letzteres für angebracht.
Eine coole House-Community wie bei uns, ist wirklich ober-spitzenklasse. Doch funktioniert das – wenn überhaupt – nur mit echten Nachbarn, die in dem Haus leben, wohnen, arbeiten und die vorteilhaften Umstände zu wertschätzen wissen.
Die Klientel, die primär darauf konditioniert ist, ungeachtet der Hausordnung und eines nachbarschaftlichen Miteinanders zum persönlichen Amusement Hamburger Wohnraum zu konsumieren und zu verschleißen – „wir haben schließlich bezahlt und sind nach dem Wochenende eh wieder weg!“ – mit solchen Gestalten will und kann man keine Hausgemeinschaft aufbauen.
Bisheriges Highlight waren die sieben „California Dream Boys“ aus Holland, die schon vormittags um elf mit der Bierflasche in der Hand im Treppenhaus unsicher machten. Ja, ich weiß, ich weiß, wir waren alle mal zwanzig.
Deswegen finde ich mein Prinzip auch völlig ok, sollte ich den despektierlichen Touris bei uns im Haus alleine nicht mehr Herr werden, einfach auf meine Kavallerie zurückzugreifen: Robert. Ein guter Freund und Nachbar. Sowie Boxer, Türsteher und Eishockey-Profi in einem. Ich weiß, es ist kein schöner Zug, sich rüder Methoden zu bedienen. Aber es ist auch keine feine Geste, sich von irgendwelchen Tages-Touristen regelmäßig den Feierabend versauen zu lassen. Robert wohnt selber nur zwei Straßen weiter. Und ich durfte ihn schon zwei mal konsultieren. Im Prinzip funktioniert Robert wie Frieden durch atomare Abschreckung. Obwohl ich zugeben muss, bei mancher Klientel ist die Versuchung groß, ihn mal von der Leine zu lassen.
Wenn sich 18 von 19 Eigentümern inklusive aller ihrer Mieter sich einstimmig gegen einen solchen Dauer-Herbergsbetrieb aussprechen – wie auf letzter Eigentümer-Versammlung vom 25. April geschehen – hat sich der kluge Mensch dem Mehrheitsbeschluss zu fügen. Der weniger kluge, wie besagte Sachverhalts-Verweigerin provoziert jetzt einen Gang vor Gericht. Die Anwälte haben sich schon warm gelaufen. Wenigstens der Doorsafe besagter Airbnb-Wohnung wurde von der Eigentümerin wegen unrechtmäßiger Nutzung des Gemeinschaftseigentums wieder abgebaut. Die Vermietungen gehen aber trotzdem lustig weiter. Wie die Touristen mit welchen Schlüsseln jetzt bei uns ins Haus gelangen, weiß kein Mensch. Vielleicht erfahren wir es ja über das Hamburger Abendblatt, das in der morgigen Montagsausgabe explizit über unseren Fall berichten wird.
Airbnb ist grundsätzlich bestimmt eine super Sache. Als ganzjähriges kommerzielles Herbergsmodell in einem klassischen Wohnhaus allerdings gänzlich ungeeignet.
Abgesehen davon ist das Wohnungsknappheit in einer Metropole wie Hamburg exorbitant hoch. Genauso wie der Touristenzustrom. Ganz ehrlich, ich finde es super, in einer Stadt zu leben, in der Touristenbusse im Minutentakt unterwegs sind. Nur hat der liebe Gott für Touristen, Hotels, Pensionen oder Campingplätze geschaffen, wo sie sich entsprechend ihrer finanziellen Möglichkeiten wohl fühlen mögen.
Wohnungsvermietung in solch angesagten Gegenden wie Winterhude ist nun weiß Gott kein soziales Engagement. Nur, über Airbnb noch mal ein paar Prozent mehr Profit rauszuquetschen als jeder Vermieter über einen ordentlichen Mietvertrag ohnehin problemlos kriegen würde, ist dem Style der schönsten Stadt der Welt gegenüber einfach nur unwürdig.
Sam Lazay
Da hört einfach jeder Spaß auf!!! Wir haben auch mal in so einem Haus mit nächtlichem Dauerlärm gelebt.
Ein Albtraum! Rücksichtslos, asozial. Tut was dagegen!
Danke Bettina. Das sehen bei uns im Haus alle Eigentümer und Mieter übrigens genauso!
Coooooler Text!
Bin auf den Bericht morgen gespannt
Manu, auf den morgigen Artikel im Abendblatt bin ich auch gespannt. Noch mehr allerdings, wie wir die Situation im Haus geregelt kriegen. Nachdem die junge Dame den einstimmigen Beschluss unserer Eigentümergemeinschaft seit April weiter ignoriert und wir mittlerweile ein polizeiliches Aktenzeichen in der Angelegenheit haben, geht das Ganze jetzt vor Gericht. Schlimm. Aber, wenn man mit ihr nicht reden kann, was soll man anderes machen? Unseren coolen House-Spirit sollten wir uns nicht in die Tonne treten lassen.
Die Frage, wie das ausgeht ist natürlich auch spannend…. ich hätte ja keinen Nerv für so ne Eskalation….
den House-Spirit kriegt die Dame so schnell nicht kaputt – nach den letzten Tagen sowieso nicht.
18 von 19 Eigentümern haben sich gegen ihr tageweises Herbergsgewerbe in unserem Wohnhaus ausgesprochen. Nur wenn besagte Dame nicht zur Eigentümerversammlung erscheint, auf der ihre Umtriebe Tagesordnungspunkt sind – wenn sie die Briefe der Hausverwaltung ignoriert und statt dessen selber einen Anwalt vorschickt, der offensichtlich nicht den Unterschied zwischen Ferienwohnung und gewerblicher airbnb-Nutzung kennt, dann ist das mehr als bedauerlich. Die Interessen der Hausgemeinschaft stehen definitiv über den persönlichen Profit-Ambitionen einer einzelnen Miteigentümerin, die via Airbnb auf Teufel komm raus noch ein paar Euros mehr aus ihrer Wohnung rauszuquetschen versucht.
Mal wieder bravourös geschrieben, Sam. Aber der Inhalt ist natürlich alles andere als unterhaltsam. Ich frage mich, wieso jemand das Ergebnis der Eigentümer-Versammlung komplett ignoriert. Die weiß doch, dass es ab jetzt über Anwälte laufen wird. Und darauf kann doch keiner Lust haben. Ich kapier’s nicht.
Das kapiert bei uns im Haus ebenfalls keiner. Jeder ist genervt. So wie die Dame die Einladung zum Gespräch ignoriert. Den einstimmigen Beschluss der gesamten Eigentümer-Gemeinschaft ebenso. Und selbst die nachfolgende Korrespondenz konsequent missachtet. Dann ist das an dreister, verantwortungsloser Gleichgültigkeit kaum noch zu toppen. Ein solches LmaA-Verhalten ist nicht nur für die Nachbarn eine Zumutung, sondern ärgerlich für die ganze Stadt. Daher finde ich es gut, dass sogar das Hamburger Abendblatt auf die Situation aufmerksam wurde und heute in seiner Montagsausgabe darüber berichtet. Es gibt schließlich mehr als genug Gründe, sich gegen derlei Umtriebe stark zu machen.
Klasse, ich bin Reinheitstester.
So schaut’s aus, Peter. Immer wieder gerne. Und das Reinheitsgebot einer angemessenen Hauskultur bringen wir auf diesem Weg auch wieder in Ordnung!
Klasse Aktion, Sam. Aber Robert, deinen Eishockey-Profi will ich auch mal kennen lernen
Viktoria, wenn du mit Roberts ausgeprägtem Bizeps, Schultern, Musculus latissimus und dem Händedruck wie ein Schraubstock keine Probleme hast, stell‘ ich ihn dir gerne mal vor.
Ein komplexes Thema, zu dem es viel nachzubessern gibt.
Großartiger Artikel! Bei uns läuft es ähnlich im Haus und das Bezirksamt wurde aufmerksam. Die waren auch schon richtig aktiv und haben Druck gemacht. Anscheinend wurde der Airbnb Anbieter in unserem Haus nun einsichtig. Mal sehen ob es dabei bleibt. Ich hoffe bei Euch kehrt auch bald wieder Ruhe ein.
Danke, Svenja. Bestimmt hast du auch den nachfolgenden Artikel im Abendblatt dazu gelesen. Der Artikel ist verlinkt mit meinem heutigen Beitrag vom 07. August. Ich finde das gut, dass sich immer mehr Eigentümer, Nachbarn und auch Mieter solidarisieren und sich gegen diesen Wohnraum-Missbrauch stark machen. Bei uns im Haus ist heute durch den Artikel im Abendblatt schon vormittags das Ordnungsamt aufgelaufen. Gefolgt von der Steuerfahndung am Nachmittag. Was beweist: Presse wirkt. Unsere gesamte Hausgemeinschaft hat null Gewissensprobleme gegenüber „unserer“ Airbnb-Vermieterin. Wir haben sie am 15. April zum Tagesordnungspunkt der letzten Eigentümer-Versammlung gemacht. Sie wurde durch entsprechendes Protokoll samt mehrerer persönlichen Anschreiben durch die Hausverwaltung auf ihren Missstand aufmerksam gemacht. Mir persönlich hat sie vor ungefähr vier Monaten unter Zeugen die Tür vor der Nase zugeschlagen, als ich sie zufällig angetroffen habe und sie auf die Zigarettenkippen aus ihrer Wohnung ansprechen wollte. Sich der Kommunikation komplett zu verweigern – und den Kopf so tief in den Sand zu stecken, dass nur noch die schicken High heels rausgucken, kann sexy ausschauen – ist aber kein ernstzunehmendes Angebot einer Lösung des Problems. Als coolste House-Community von Hamburg kann man solche Individuen echt nicht brauchen. Wir bleiben weiter dran.
Mensch, ist ja ein Ding!
Generell ist das Geschäftsmodell nicht schlecht, wenn man es in Grenzen betreibt. Für den Eigentümer natürlich eine gute Einnahmequelle. Ich kann natürlich verstehen, dass das nervt, solche Leute im Haus zu haben !
Ist eine Gesetzeslücke, die geändertert werden müsste ……viel Erfolg!
Hi Maik, ich finde, man kann das Geschäftsmodell getrost auch exzessiv betreiben. Wenn es nicht auf Kosten von anderen Beteiligten, Nachbarn und Eigentümern ist. Das da gesetzesmäßig was geändert werden muss, ist klar wie Kloßbrühe. Unsere und viele andere Eigentümergemeinschaften stehen da geschlossen dahinter. Daher ist es cool, das uns das Hamburger Abendblatt angeboten hat, sich des Themas mit unserem exemplarischen Fall anzunehmen. Daumen hoch fürs Hamburger Abendblatt!
Klasse, Sam,
lebalcony kämpft gegen AIrbnb! Du kannst auf meine volle Unterstützung zählen, Elisabeth
Ebenfalls klasse, Elisabeth. Nichts anderes hätte ich von dir erwartet. Wir lassen uns unser Viertel nicht verramschen. Schließlich haben wir es dazu gemacht, dass es andere cool finden.