als ich dich Mitte der 90-er in München kennen lernte, war ich auf der Suche nach einer coolen Bleibe in der Bayern-Metropole während ich für eine sehr spezielle Münchner Werbeagentur mit psychologisch äußerst bedenklichen Geschäftsführern gebucht war. Auf Grund vorherrschenden Bollwerks mannigfaltigster Chef-Neurosen war es nicht wirklich angenehm für jene Agentur zu arbeiten und Kampagnen zu entwickeln. Aber egal, Buchung ist Buchung. Also professionell durchziehen das Ding. Trotzdem gab’s in der Agentur auch klasse Kollegen, von denen mich damals einer an eine gewisse Roswitha und ihre Künstler-Wohngemeinschaft in der Aberlestraße verwies. Er kannte dich zwar nicht persönlich, aber von dem was man sich in München so erzählte, meinte er, dass das unterkunfts- und typmäßig mit uns passen könnte. Und wie das gepasst hat. Kaum hast du mir bei unserem Kennenlernen-Termin die Tür zu deinem wunderbaren Künstler-Tempel geöffnet, schon lag ein Tornado von Good Vibes in der Luft:

Es roch nach Rosen, Orangen, allerlei Kräutern. Du strahltest. Als wolltest du mich. Als neuen Mitbewohner. Und ich verliebte mich spontan in dich, du tollste Vermieterin aller Zeiten.

Deine Aura: der schiere Wahnsinn… Dass dein fantastisches Marocco-Zimmer in deiner Untersendlinger Sechs-Zimmer-Jugendstil-Wohnung für die nächsten Wochen mein Domizil sein sollte, hat sich also schneller entschieden als die morgendliche Wahl meiner schwarzen Socken. Grundsätzlich war München für mich damals ein reiner Job-Standort, so wie es Castrop Rauxel, Paderborn oder Pforzheim auch gewesen wäre. Vor allem, weil ich damals freitags immer so schnell wie möglich zurück nach Hamburg wollte, um mit meiner damaligen großen Liebe, Susanne, das Wochenende in Hamburg zu verbringen. Manchmal auch mit dir, Roswitha.

Susanne, links, liebt dich übrigens genauso wie ich. Anna, rechts, natürlich auch. Und alle anderen im Restaurant Rexrodt, wo dieses Foto entstand, garantiert auch.

Wenn ich dann wieder in München war, genoss ich es in vollen Zügen, durch dich die coole Facette von München mit unendlich vielen, deiner herrlich innovationsfreudigen Freunde zu erleben: Michaela, die bayerische Kultur-Botschafterin, die via Quetschn verkündete: „d’Weiber san zum stopfn do“. Georg, jenen Kardiologen, der zu dem Zeitpunkt gerade auf Rockstar umschulte und als singender Müllsack und Hausfrauens Gurkenkönig mit Susi Wong vom Waschsalon genauso verzückte wie als Gaudibursch vom Hindukusch. Claus, den formidablen Bildhauer, der München mit fröhlichen Plastiken beglückte – und mich einst bei einem Sommer-Frühstück auf seinem Anwesen am Starmberger See. Du, Roswitha, hattest es so eingefädelt. Weil du um meine Freude an allem, was fährt, wusstest. Und du wusstest eben auch, dass in der Scheune von Claus dieses merkwürdige, grüne Teil stand: ein 1940-er Steyr-Traktor, der mir bestimmt viel Spaß machen würde. Du fragtest Claus, ob man damit noch fahren kann. Claus bat seinen Sohn, das Teil kurzfristig fahrend zu machen. Und der tat, wie ihm geheißen. Es war weder Weihnachten noch hatte ich Geburtstag. Du, Roswitha wolltest mir nur eine Freude machen. Einfach so. So bist du. Und so liebe ich dich mit unendlich vielen anderen. Dass ich mit dem knatternden, rumpelnden Uralt-Trecker einen Riesenspaß gehabt habe, braucht eigentlich nicht extra zu erwähnt werden. Doch, weil ich damit keinen Starnberger Hügel, kein Bayerisches Schlammloch ausgelassen und dich auch auf dem Beifahrersitz rund um Claus’ Bauernhof chauffiert habe, mache ich es trotzdem.

Wer, wenn nicht du, Roswitha, weiß Spontanität, Begeisterungsfähigkeit, Lust am Menschen Freude machen besser zu leben als du. Du bist meine Königin der Lebensfreude.

Legendär: deine Performances, deine Kunst und deine vereinnahmende, lebensbejahende Atmosphäre. 2007 auch dein Auftritt mit deinem Münchner Alphornkollektiv in der Hamburger Hochschule für Musik.

http://www.alphornkollektiv.de/DE/history.html

Nachzulesen im Hamburger Abendblatt.

Gäbe es mehr Charaktere wie dich, Roswitha, der Weltfrieden wäre gesichert.

Damals nach Ende meiner mehrwöchigen Mission in jener absonderlichen Werbeagentur war ich natürlich auch ein bisschen froh, wieder nach Hamburg zurück zu kommen. Auch wenn ich dich, liebe Roswitha bereits tief in mein Herz geschlossen hatte. Doch jobmässig war Hamburg einfach die Nummer eins. Aber wie es der Zufall so wollte, sollte sich über einen guten, alten, früheren Springer & Jacoby-Kontakt erneut eine Münchner Kundenbeziehung anbahnen. Auch etwas dubios, doch deutlich spannender. Die Kanäle in dein wohlvertrautes Marocco-Zimmer waren gelegt, die zu Susanne zwischenzeitlich leider trockengelegt. Also auf, auf, in die zweite Münchner Runde. Kompatibel waren wir sowieso. Und in meiner Münchner Folgezeit warst du mehr denn je mein örtlicher Mentor, Pate und Door-Opener. Auch ins Münchner Nightlife. Alles kam noch doller als unsere erste Begegnung.

Unvergessen, wenn wir regelmäßig ins Nachcafé einliefen und von Fernando und Mario, unseren beiden Lieblingskellnern, durch das ganze Gewimmel von Nachtschwärmern einen Tisch zugewiesen bekommen haben. Idealerweise wenn wir selbst um ein Uhr früh schon von der Eingangstür aus per zwei gespreizter Finger zwei Wiener Schnitzel und zwei Caipirhina ordern konnten.

In München kennt man und versteht man sich. Wenn man sich kennt. Oder besser, wenn man dich kennt.

Wenn wir damals noch ins Schumanns in der Maximillianstraße 36 rüber sind, wo Charles seine Nicht-Stammgäste noch persönlich bat, sich vom Tisch zu erheben, weil Stammgästen, sprich: dir der Vortritt gebühre. München ist echt krass – ja, Roswitha scheint man in München wirklich gern zu haben, hab’ ich mir gedacht. Zählt man dann noch die ganzen aktuellen oder früheren Verehrer von dir dazu, die uns damals im Stadtbild oder eben im Nachtcafé oder Schumanns mal kürzer, mal länger süssholzraspelnd über den Weg liefen, hat das den Eindruck nur verstärkt.

Egal mit wem ich am nächsten Morgen bei dir in der Aberlestraße 4 aufgewacht bin, es gab von dir immer unaufgefordert einen Guten-Morgen-Cafe für beide. Und sollte ich im Kokussnussschaumbad versunken sein, hat keiner so distinguiert den Rotwein nachgeschenkt und das heiße Wasser nachlaufen lassen, wie du, Roswitha.

Diese besondere Spiritualität, die stete Schöpfung des Guten, positive Energien und Magien sind dir einfach in die Wiege gelegt.

Als du mich und Anja vor drei Jahren in Barcelona besucht hast und wie wir damals

nach dem Gewinn der Champions-Leage vom FC Barca

zusammen mit Belén per Taxi hupend und jubelnd durch Barcelona gebraust sind, obwohl du mit Fußball noch weniger am Hut hast als ich, zeugt davon, was dich ausmacht: Begeisterungsfähigkeit für das Leben und die Menschen. Und das kann eben auch mal Fußball sein. Warum nicht? Noch heute ist Anja, Belén, Bea & Bea, Gigi, alle anderen und mir präsent, wie du mit deinem „Visca Barca!“ – dem Schlachtruf der katalanischen Fussballverrückten – aus dem offenen Taxi, zur ohnehin schon euphorischen Stimmung in Barcelona noch mal eine Schippe draufgelegt hast.

Als ich vorgestern von Friedi und Gunnar von deinem Tod erfuhr, dachte ich, ich fall’ hinten über. Ich musste heulen. Wollte niemanden hören und sehen. Einfach einen letzten Abend in Gedanken mit dir allein verbringen. Du hast mir so viel gegeben, wie sonst kaum ein anderer Mensch. Ich liebe dich von ganzem Herzen. Aber ich glaube, das weißt du seitdem wir uns kennen.

Auch wenn ich dich erst vor fünf Monaten in München besuchte und du mir nie was von deinen gesundheitlichen Problemen erzähltest, finde ich es klasse, dass du deinem Stil treu und deiner Lebenseinstellung gerecht geblieben bist: du bist Synonym für Freude und nicht Leid. Respekt, Respekt, Respekt, Roswitha. Du bist und bleibst, das inspirierendste, positivste, motivierenste Medium meines Lebens.

Roswitha, ich freue mich, dich in einem anderen Leben wiederzusehen. Ganz bestimmt. Besos, meine Rose, mein schönstes Geschenk des Lebens.,

Bestimmt kannst du dank deiner telepathischen Fähigkeiten diesen Beitrag lesen und freust dich auch weiterhin über unsere einmalige, wunderbare und ewig währende Hamburger/Münchner-Begegnung.

Hasta luego, guapa,

tu Samuel