Das Plakat zum Münchner Oktoberfest 2022 steht fest. Und rette sich, wer kann. Die Welt darf auf eine neue Benchmark visueller Zeitgeist-Kommunikation blicken. Bewundernswert, vor allem der Mut, konsequent mit bewährtem Optimismus zu brechen und klassische Muster von Gaudi, Spaß und Lebensfreude völlig enthemmt über Bord zu werfen.
Ein Prosit, ein Prosit der Verlorenheit! So schreitet Gevatter Tod Hand in Hand mit einem Münchner Kindl-ähnlichem Wesen gen Wiesn. 100% menschenleer. Dezent im Hintergrund: die Abstraktion einer vermeintlich interkontinentalen Nuklear-Detonation. Deren Strahlkraft wohl selbst das letzte Fünkchen heiteren Lebens ausradiert haben muss. Unübersehbar. Ja, kann man machen. Grundsätzlich könnte man das als angewandte künstlerische Freiheit par excellence interpretieren. Quasi als Bekenntnis im Geiste des Lifestyles.
Schluss mit oberflächlichem „auf der Alm da gibt’s koa Sünd!“ Weiter mit German Grusel, obskurem Drama, gestelztem Zweckoptimismus. Und das vom Allerfeinsten! „Komm, Schatz, lass uns auf die Wiesn! – lass uns mit Endzeit-Stimmung boostern!“ Ganz im Sinne der Integrierten Kommunikation stünde das Team von lebalcony.de bereit, dafür den Wiesn-Hit 2022 zu komponieren:
„Lass uns fies und depri sein! – so ziang ma uns koa Bia ned nei!“
Zugegeben, in einem Anflug von Melancholie gehen mir die Zeiten der legendären Münchner Akademie an der Einsteinstraße durch den Kopf, wo ich einst als Dozent wirken durfte. Jene Premium-Adresse der Visuellen Kommunikation, die unter anderem mit Jochen Steglich einen so ambitionierten, wie patenten Designer hervorbrachte, der es schaffte, aus wenigen versierten Strichen eine himmelhoch jauchzende Achterbahn-Fahrt in Herzform zu zeichnen. So stimulierend, dass er damit 2005 den ersten Preis des Wiesn-Plakats gewann. Und da war er noch Student…
Die Frage muss erlaubt sein: ist es schlimm aus einfachen Ideen wertsteigernde Freude zu designen? So effizient, dass man sich selbst 17 Jahre später noch gerne daran erinnert. Nein! – ist es nicht – ganz im Gegenteil. Marketing-Experten sprechen hier von „Exemplary Consumer Memory Dynamics“.
Eine Auszeichnung, die Herr Steglich nicht nur mit seinem Wiesn-Plakat – sondern auch in diversen anderen Projekten unter Beweis stellte. Unvergessen und besonders eindrucksvoll: Steglichs Einsatz für Bacardi Breezer. Was damals die Akademie und alle Beteiligten mit Silber beim renommierten GWA/JA 2003/04 krönte. Cool, wenn einem das nach fast 20 Jahren noch präsent ist. Ein klarer Beleg für die Begehrlichkeit des Guten! – wider uncoolem 2022-Trübsal.
Auf eine gewisse Art hat es das Wiesn 2022-Plakat allerdings auch in sich: So sehr, dass ich den Anblick irgendwann einfach nicht mehr aushalte. Ich muss die Augen schließen. Im Hirn verselbstständigen sich meine persönlichen Reminiszenzen an die Wiesn. Genussvolle Nachbilder pulsieren zwischen meinen Schläfen. Mmmm…. Lecker! Ohhh… Herrlich! Eingetaucht in einem Meer aus fröhlichem Sein zieht es mich in einen Strudel der Wiesn-Wonne. Es duftet nach Chanel Allure, Hax’n, Augustiner. Im Hintergrund bläst eine Dirndl-Kapelle den Marsch der Virtuosen*innen und außerhalb des Festzelts drängeln Scharen von Frohnaturen, um genau das erleben zu dürfen.
Alle sieben Sinne tanzen im Glück. Achterbahnen kreisen in Herzform, ich denke an die Freuden eindringlicher Emotional-Kommunikation. Vor Augen schwebt mir meine Lieblings-Kollegin von Scholz & Friends, mit der ich im Steinhöft drei lustvolle Jahre das Büro teilte und Emphaty-Benefit-Perceptions am laufenden Band entwickelte. Bis heute kann ich mich an keine Stimme erinnern, die so dirty „Dirty Harry – 100% reiner Lakritz-Likör“ hauchen konnte, wie sie.
Ich weiß nicht, wie es euch geht. Aber mich flasht dieses Plakat. Wieder und immer wieder. Schon Billy Idol muss dieses Gefühl empfunden haben. Als er mit „Flash for Fantasy“ rockte. Probiert es aus. Lasst jene skurrile visuelle Substanz der Naiven Künste auf euch wirken. Schließt die Augen. Und genießt das, was eure kreativen Gehirne weiter daraus machen. Schreibt es gerne in die Kommentare. Beweist zu welch kreativitäts-erweiternden Outputs dieses Plakat seine Betrachter beflügeln kann. Viva la Visuelle Kommunikation!
Sam Lazay
lebalcony.de – coole Wiesn und Stories aus Winterhude bis darüber hinaus
Weiterer Stimulus. Zum Oktoberfest. Oder in eigener Sache:
Tempi passati…. Aber die Augen schließen und die Phantasie aktivieren… hilft in diesen freudlosen Zeiten immer.
Das mag wohl wahr sein, Bettina.
Doch solange es Medien wie dich gibt, die schon durch ihre Aura kollektive Freude entfachen, genussige Begehrlichkeiten auslösen oder einfach nur Wohlbefinden hervorrufen, sollte die Welt noch nicht verloren sein. Denk‘ dran: die nächste Oktoberfest-Plakat-Ausschreibung kommt bestimmt!
Als Podium der lustvoller Zuversicht konnte lebalcony.de mit diesem Beitrag – nur einen Tag nach Veröffentlichung – bereits drei Hamburger Künstler dazu beflügeln, der Wiesn 2023 ein würdiges Gesicht zu verleihen. Mit dir wären’s schon vier… Und meine letzte renommierte, internationale Plakat-Würdigung liegt auch schon ein paar Jährchen zurück. Ich bin bei der Oktoberfest-2023-Plakat-Challange also auf alle Fälle dabei. Das wär‘ doch super-lustig, wenn das nächste Wiesn-Plakat aus einer Hamburger Feder stammt.
In diesem Sinne: auf, auf in freudige Tempi prossimi…
da legst di nieda. Des is wirklich das Plakat für die Wies’n? im Ernst? Wollen die des absagen oder was? Sieht aus als würde der Tod einen frisch gebackenen Engel in den Himmel geleiten. Spaß macht nur die Kuppel, die nach einem bombastischen Zelt, ja Zirkuszelt aussieht.
Ich tät ma sagen, des ist a Witz. Und du bist drauf nei gfalla.
Werte Bea, deine Interpretation zeugt von höchst empathischer Anteilnahme.
Doch schenkt man BILD, über SÜDDEUTSCHE bis ZEIT Glauben, ist das nüchtern betrachtet bierernste Reality. Selber wurde ich via Facebook von einer Kollegin aus München auf jenes Plakat aufmerksam gemacht.
Was mal wieder der beste Beweis ist, dass gerade Arbeiten von weitreichender Relevanz besser von Leuten erfüllt werden sollten, die sich mit sowas auskennen.
Um so gespannter darf die Welt auf die Entwürfe blicken, die im kommenden Jahr insbesonders aus Hamburg zur Wiesn 2023 eingereicht werden.
Zur Mission „Wiesn-Plakat 2023 – Design by Hamburger Profis“ bietet sich lebalconyde gerne als Botschafter, Koordinationsstelle und Gesandter an. Bajuwarische Verbundenheit und bewährte König Ludwig-Rollenvertrautheit sind schließlich die besten Referenzen.
Bea, als großer Verehrer deiner besonderen Kommunikations-Wertsteigerungen appelliere ich hiermit noch einmal persönlich an deine Berufung, Kompetenz und Klasse: Bitte, gib der Welt die Chance, sich an deinem Wiesn-Plakat 2023 zu erfreuen – und nimm an der Ausschreibung zur Gestaltung des nächsten Oktoberfest-Plakates teil! Vielen, vielen Dank…
Ich würd auch mal sagen, die beiden Gestalten: gesichtsloser Mönch mit übergewichtigen männlichem Engel fragen sich, was sie hier sollen. Am besten gleich wieder fliegen. Trostlos.
Zu dieser Veranstaltung gehe ich nicht.
Die Jury hatte wohl die Augen verbunden.
Armes „Oktoberfest“.
Liebe Susanne Häußler, zugegeben, obwohl gebürtiger Süddeutscher, habe ich selber lange gebraucht, um für die philosophische Größe und den philantropen Charme des Oktoberfestes zu reifen. Klar, kann man auch dort, wie überall im Leben, niederen Strickmustern des Seins begegnen. Doch die völkerverbindenden Elemente, der vorteilhafte Esprit unserer Menschheitsfamilie, das Faszinierende an den Begegnungen verschiedenster Charaktere und Kulturen, ist auf dem Oktoberfest in einer wohl einzigartigen Dimension zu erleben: Spaß, Liebe, Verständigung, Toleranz… Das Oktoberfest hat das Potential zum Garanten des Weltfriedens. Um so wichtiger wäre es, genau das so unterschwellig, begehrlich und selbstverständlich zu kommunizieren. Das ist auf alle Fälle der Anspruch vieler Hamburger Kollegen und mir, die sich seit dieses Artikels an der nächsten Wiesn-Plakat-Ausschreibung beteiligen wollen. Im Sinne von Leidenschaft, Herzblut, Emoción und Authentizität…
Sam, dem Plakat zufolge findet das Fest gar nicht statt! Es ist eine Warnung an alle Feierlustigen: Denkt nicht mal drüber nach, sonst holt Euch der Sensenmann und geleitet Euch in die ewige Hölle verwaister Bierzelte mit schalem Geruch. So ist das gemeint! Ich rieche es förmlich. Welche Agentur hat denn das verzapft? Kriegen die Geld dafür?
Steph, dein Eindruck scheint sich immer mehr zu bestätigen. Ja, jenes Werk könnte zweifellos als Eröffnungs-Motiv einer möglichen Kampagne gegen das böse Feiern im Allgemeinen verstanden werden. Sollte dem so sein, stehen uns wahrlich noch düstere Zeiten bevor. Unter reinen PR-Kriterien wäre dieses Announcement-Plakat des größten und durch Corona wohl tötesten Volksfestes der Welt allerdings ein so stringenter, wie raffinierter Kommunikations-Opener.
Um so mehr, wenn man einen Blick auf deine Frage nach der Urheberschaft dieses Plakates wirft. Im Zuge dieses lebalcony.de-Artikels ließ mich gestern eine Kollegin durchaus ernüchternde Interna wissen: Ein bis dato künstlerisch unauffälliger Münchner Finanz- und Versicherungs-Mathematiker hat den Plakatwettbewerb für die Wiesn 2022 gewonnen.
Seiner Intuition der Provisions-Mehrung und Courtage-Progression muss es geschuldet sein, dass er damit automatisch ein Preisgeld in Höhe von 2.500 Euro erwirtschaftete. Und das, ohne dabei auch nur eine einzige Versicherung mehr verkauft haben zu müssen…
Sam, dem Plakat zufolge findet das Fest gar nicht statt! Es ist eine Warnung an alle Feierlustigen: Denkt nicht mal drüber nach, sonst holt Euch der Sensenmann und geleitet Euch in die ewige Hölle verwaister Bierzelte mit schalem Geruch. So ist das gemeint! Ich rieche es förmlich. Welche Agentur hat denn das verzapft? Kriegen die Geld dafür?
Ich musste zweimal hinschauen. Vielleicht soll das Plakat auch besagen, dass man nun ganz viel Platz hat in den Zelten, kein Gedrängel mehr.
Peter, die Frage scheint angesichts des aktuellen Plakates mehr als berechtigt. Mit jener neuen Wiesn wäre somit auch der Ruheraum, die Schweigestätte, der Ort der Distanz als größtes Un-Volksfest der Welt manifestiert. Was bestimmt nicht nur wir, sondern viele andere mehr als bedauerlich finden würden. Schließlich steht das Oktoberfest nicht nur für enthemmtes Saufen. Sondern auch für philosophischen Austausch, geistreiche Inspiration und gesellige Beflügelung. Man darf ja nicht vergessen, schon Goethe, Hegel, Schopenhauer, Kant kannten die Stimulanz eines guten Tropfens in geselliger Runde. Daher will sich lebalconyde jetzt erst recht dafür stark machen, 2023 wieder mit einem Wiesn-Plakat der Freude, Lust und Zuversicht in die Zukunft blicken zu dürfen!