Ludwig Andreas Feuerbach, feuriger Genuss-Gen-Forscher, flammender Natur-Wissenschafter und glühender Küchen-Philosoph brachte es schon im 19. Jahrhundert auf den Punkt: „Du bist, was du isst“.
Bis heute ungewiss war dabei der Biss auf die DNA-Struktur. Der könnte darüber Auskunft geben, wie es um gentechnische Querverbindungen zwischen den Generationen aussieht. Isst zum Beispiel bei der lukullischen Performance der Tochter auch die kulinarische Qualität des Vaters ersichtlich? Ist das wissenschaftlich ableitbar? Oder umgekehrt.
Rein anthropologisch eine Herausforderung, wie geschaffen für lebalcony.de, Kommunikations-Forum, Erkenntnis-Forschungs-Labor und Praxis beflügelnder Sinnesfreuden.
So durfte ich die Probe aufs Exempel machen. Auch wenn sich Tochter und Vater sehr zu lieben und zu schätzen wissen, scheint es bisweilen kleinere Defizite in deren Kommunikation zu geben. Was ja auch in anderen Konstellationen des Lebens zumindest hin und wieder vorzukommen kann. Daher geschah es, dass mir die Tochter, mit der ich im selben Hamburger Jugendstilhaus residiere, mit der mich schon seit Jahren eine wunderbare Freundschaft verbindet, die unserer super House-Community immer wieder großartige Schlemmerfreuden beschert, erst vor ein paar Tagen ein neues Überraschungs-Glaserl zur Verköstigung gereicht bekam: „Das hat mir mein Vater aus meiner Heimat geschickt. Nach all der Zeit sollte er doch eigentlich wissen, dass ich das so überhaupt nicht mag!“ – erfahre ich von meiner hinreißenden Nachbarin.
„Was ist es denn, Sülze?“ frage ich scherzhaft. „Ja! – genau“ – darf ich es zum Inhalt des Glases sinnigerweise zur Kenntnis nehmen. Au Backe! – ja, meine liebe Frau Mama macht eine feine Sülze! Die kann das. Aber Fremd-Sülze? Nein, freiwillig würde ich mich nie dran wagen, ging es mir durch den verunsicherten Kopf. Doch, da es sich um meine famose Nachbarin handelt – sie grundsätzlich Synonym für alles Leckere ist – und mal wieder so schöne, rot lackierte Fingernägel hat, dachte ich mir, auf einen Versuch können wir es ja mal ankommen lassen. Ausnahmsweise…
Sülze… Mann-o-Mann! Na, ja, erstmal ab damit in Kühlschrank. Sülze, so sagt man, soll ja gekühlt ein paar Wochen nach Erhalt kalt halt- und genießbar sein. Heute ist der Tag der Entscheidung. Ich wage das Experiment. Immer vor dem optimistischen Background, dass jene Nachbarin bereits unzählige hausinterne Meriten als Küchenmeisterin,
Agentin fleischlicher Begierden,
Zauberköchin,
Leckermäulchen,
Konfitürenkünstlerin
und Maître de Cuisine unser wunderbaren House-Community gesammelt hat.
Immer in Gedanken an die Gegebenheiten der Gene mutmaße ich, wenn die Tochter solch delikate Anlagen hat, kann der Papa ja nicht weit vom Lamm fallen.
Also: Trommelwirbel! – ich schreite zum Kühlschrank – mach‘ die Tür auf – greif‘ zum Objekt meiner Begierde – und öffne mit beherztem „Klack!“ den Deckel des Glases. Sehr löblich, das Klacken beweist, Herr Papa scheint ein echter Profi – und vorher alles fachgerecht vakuumiert zu haben. Macht meine Mama ja nicht anders.
Sollte sie mir zum Beispiel selbstgemachte Walderdbeer-Marmelade aus dem Schwäbischen nach Hamburg schicken, dann klackt das bei mir in Winterhude genauso. Zum Glück habe ich heute bei Bäcker Gaues bereits ein feines Bauernbrot geholt. Die Basis der Sülze ist also schon mal gesichert.
Auf, auf! – auf eine Scheibe Bauernbrot streiche ich eine Lage irischen Goldes der grünen Insel. Dann gebe ich ordentlich Sülze darüber. On top ein paar kleine Kleckschen Maille-Senf. Und ein paar Silberzwiebeln von Oma Schudeisky können auch nie verkehrt sein.
Schon schöner Anmutung halber… Es folgt der erste Biss: Mmm… mmmeine Nachbarin kann mal wieder punkten. Ja, auch mit ihrem Papa. Eindeutig und über jeden Zweifel erhaben ist die lukullische Gen-Verbindung unverkennbar. Nicht zu überschmecken. Was kulinarisch-gentechnisch beweist: wie die Tochter so der Papa. Ein klarer Fall von Sülze de lüxe!
Was da der Papa meiner Nachbarin wohl alles verarbeitet haben mag? Schaut’s euch mal genauer an! Selber hab‘ ich an gesunden Vitamine und wertvollen Zutaten insgesamt zwölf entdeckt. Wenn ihr noch was erspähen, was ich übersehen haben sollte – und es in die Kommentarliste schreibt, gewinnt ihr die Erkenntnis, neben einer feinen Zunge auch ein scharfes Auge zu haben.
Muchas gracias an meine Nachbarin, deren Papa sowie auch Ludwig Andreas Feuerbach, Bäcker Gaues, Oma Schudeisky, und natürlich auch allen anderen beteiligten Mamas und Papas.
Warum ich einem unschuldigen Gläschen Sülze solch eine ambitionierte Würdigung gewidmet habe?
Um Appetit auf grundsätzlich bessere, optimistischere, erfreulichere Gedanken zu machen. Sollte ich dabei den einen oder anderen Mundwinkel nach oben bewegt – und auf den Geschmack gebracht haben, wäre mir das ein persönliches Fest. Schließlich müssen die malträtierten grauen Zellen auch mal gelüftet werden – und dürfen nicht ausschließlich nur von virösem Bösen umnebelt sein.
Sam Lazay
lebalcony.de – coole Typen und good News aus Winterhude bis darüber hinaus
Mutig, mutig… fremde Sülze… das wäre für mich auch wie: Augen zu und durch.
Liebe Bettina, trefflicher hätte man es kaum ausdrücken können. Denn Mut ist der Anfang allen Glücks. Oder, wie schon John Wayne wusste: „Mut ist, wenn man Todesangst hat, aber sich trotzdem in den Sattel (der Sülze) schwingt“. Welch ein Glück, dass ich auf die gentechnische Genuss-Connection meiner Nachbarin zu ihrem Daddy vertrauen konnte…