Der Lametta-Flug gen Heilix Nächtle in meinem heimatlichen Ursprungs-Ländle ist gebucht. Die Freude auf Mama ist groß. Die auf Papa nicht minder. Mit meinen Stuttgarter Kultur- und Sindelfinger Jugendfreunden sind alle Distanz-Strategien bereits telefonisch geklärt. Dort, wo das gute Stuttgarter Hofbräu stets so fröhlich sprudelt und die von Grafi‘s Vater selbstgebrannten Schnäpse echten Kennerdurst löschen.

Der Optimismus auf coole Weihnachten zeigt sich also ungetrübt. Und allen Widrigkeiten zum Trotz gelüstet es mich vor allem auf eins: auf knusprigen Gänsebraten, dampfende Knödel, deftiges Rotkraut. Ebenso verspür‘ ich bereits butterzartes Rehrücken-Verzücken, Forelle fein gegrillter Mandelkapelle. Auch Brian‘s gefüllte Lerchenzungen samt gedünsteter Otternasen klingen an. Nicht minder zeigt sich Viktor’s Kosakenzipfel auf dem Monitor zu erwartender Festtags-Gaumenbegehre.

Ganz besonders stark schlagen die Sensoren meiner stimulierten Genussnerven allerdings beim Gedanken an das Eine aus: An Mama’s legendären Kartoffelsalat! Seit meiner Kindheit macht ihn Mama so. Mit ihrer ganz persönlichen Note. Dank simpler, aber entscheidender Tricks und segensreicher Kniffe. Jahrzehnte glücklicher, familiärer „Mmmhhhs“, „Aaahhhs“ und „Ooohhhs“ können da nicht irren.

Nach alter Connaisseure Tradition – und um die hohe Kunst der Zubereitung generationsübergreifend fortzutragen – durfte ich da als Erstgeborener bereits an mehreren von Mama gecoachten Kartoffelsalat-Workshops teilhaben. Was, zugegeben, seine ersten Früchte trug und eigentlich schon ganz gut klappt. Doch ans Original werde ich wohl nie rankommen. Das müssen wohl die höheren Kräfte sein, die in Mama’s Küche walten – und jene Kartoffelsalates Güte wohl entfalten.

Schmacht! – meine Mind- Body- and Soul-Settings sind schon aufs volle Völlerei-Programm justiert – den Rund-um-die-Uhr-Genuss-Beschuss: Stollen-, Lebkuchen-Bomben, Marzipan-, Nougat-Granaten. Flankiert vom Kreuzfeuer kleinerer Knabber-Kaliber: Kipferl hier, Plätzchen da. Hinterhältige Hüftgold-Fallen, die der Leibesfülle wohl gefallen. Dominosteinchen lauern. Pralinés auf Beistelltischchen kauern. Und im Affekt Krokantkonfekt. Brutal, das Naschwerk-Arsenal. Der übermächtigen Bedrohung süßer X-mas-Verlockungen, den zarten, zu entfliehen, war schon immer nur was für die Härtesten der Harten.

Heute Weihnachten 2020 um so mehr. Vielleicht schaut ja die Polizei mit Pfefferkuchenspray noch vorbei. Verstößt geneigte Weihnachtsfeier-Runde analog gegen den Weihnachts-Schnell-Verordnungs-Katalog.

Gestern rief mich meine Mama an und cancelte kurzerhand unsere diesjährige Weihnachtsfeier. Sie bat mich, einfach in Hamburg zu bleiben. Puhhh! – das war erstmal ein Schlag in den Bauch! – voll in den Solar Plexus der Gewohnheit – direkt ins traditionelle Ritualzentrum – krass eins auf die Mütze der Normalität. Wenn ich ganz ehrlich sein soll – auch wenn man mich nicht unbedingt als Weihnachts-Maniac kennt – machte mir Mamas Anruf zwei Sachverhalte bewusst:

Dass wir unter einem ziemlichen globalen Notstand zu leiden haben – sowie verordnete Mittel zur Neutralisation desselbigen sehr, sehr oft von hilfloser Überforderung politisch Verantwortlicher zeugt.

Und dass meine Mutter eine ziemlich coole Socke ist. Eine, der das Wohl der Familie, des Sohnes, der gesamten Gesellschaft wichtiger ist, als nur vertrauten, zeremoniellen Gepflogenheiten nachzukommen. Und nicht einfach darauf zu vertrauen, dass ein deppertes Virus weiß, zu welchen territorial, temporär, personenanzahlsmäßig verordneten, ebenso depperten Hypothesen es sich verbreiten darf – und zu welchen nicht. Daher scheint es unter aktuellen Umständen wohl das Beste, was man machen kann, nichts zu machen! – einfach zu Hause zu bleiben. Und so dem Virus bewußt aus dem Weg zu gehen.

Cooles Krisenmanagement, Mama!

Ich versuch‘s positiv zu sehen, weil mir die Entscheidung, Weihnachten dies Jahr ausfallen zu lassen, schlüssig erscheint und allen damit vieles erspart bleibt. So freu‘ ich mich einfach auf die nächste persönliche Begegnung mit meiner Familie und meinen – teilweise noch aus Kindergartentagen – Freunden, wenn sich die Lage wieder entspannt hat.

Und nochmal ganz ehrlich, hätte Mama nicht entschieden, das Ganze abzublasen, wär‘ ich geflogen. Wenn denn seitens der Fluggesellschaft geflogen worden wäre. Jetzt muss ich mich also allein – mit meiner wunderbaren, nicht klassisch partnerschaftlichen Lebensgemeinschaft (Hausstand plus Null) auf ein viertägiges Kulinarik-, Bacchanal- und Ornithologie-Symposium beschränken.

Trotzdem euch allen, schöne Weihnachten – so gut’s halt geht

 

Sam Lazay

lebalcony.de – coole Mamas und Stories aus Winterhude bis darüber hinaus

 

Und für alle, denen Mamas Freude bereiten, hier noch drei Mama-Schmankerl von zwei Mamas mehr:

Hamburg. Winterhude. Es geschah am helllichten Tag

Bis heute meine erste große Liebe

I‘ll never walk alone, Ilona