Nachdem sich unsere Mannen wieder auf Tugenden und Werte berufen und Deutschland zurück ins Spiel geflankt haben, könnte man auch sagen, es liegt was in der Luft…

Dieser Dunstglocke der Glückseligkeit kann man sich einfach nicht entziehen: Der Cafe schmeckt besser. Die Menschen sind schöner. Der Hamburger Regen sowieso. Alles geht einem leichter von der Hand. Und Frau Heuer, meine Edeka-Lieblingskassiererin, küsst mich zur Begrüßung besonders herzlich. Heute Mittag erfuhr ich auf facebook von Lutz Ackermann die so simple wie einleuchtende Erklärung dafür:

„Die gerade Linie gehört zum Menschen, die geschwungene zu Gott.“

Ein Zitat des wunderbaren Antoni Gaudí, jenem katalanischen Architekten, der Barcelona die imposantesten Akzente seines traumhaften Stadtbildes verlieh. Und Tore hat er auch gemacht, der Gaudí. Ein besonders schönes Gusseisernes findet sich in der Bocadia, jener legendären Markthalle, La Rambla 91. Obwohl es zu seinen Zeiten noch keine WM gab, ist Gaudís Zitat zur WM 2018 lebendiger denn je. Man sehe sich auf youtube nur einfach immer wieder Tonis kroosartiges Jahrhundert-Tor an.

Dann wird man verstehen, was Gaudí mit „geschwungener Linie“ meint.

Grundsätzlich würde lebalcony sowieso empfehlen: weniger Plattenbau, mehr Gaudí in die Architektur des Fußballs. Der Fairness halber soll aber auch einer unserer möglichen Finalgegner nicht unerwähnt bleiben: die gute alte Brust-raus-Nase-hoch-Turbine, Ronaldo. Der scheint von Gaudís Erkenntnissen ebenso beflügelt. Bei seinem Freistoß gegen Spanien ist nur unschwer zu erkennen, dass Toni und Christiano hauptamtlich auf dem gleichen Bolzplatz göttliche, geschwungene Linien trainieren müssen. Daher wünscht sich lebalcony Deutschland – Portugal im Finale. Bitte mit ganz, ganz vielen Freistößen…

Und nicht nur lebalcony glaubt an den fünften Stern.

Um den positiven, wiedererwachten Sportsgeist und die Freude an geschwungenen Linien weiter aufrecht zu halten, möchte lebalcony an die vielen, früheren, nicht minder talentierten, unbekannten Helden des Fußballs erinnern. Und ihnen heute zur WM 2018 das zukommen lassen, was ihnen gebührt: Respekt und Achtung für ihre herausragenden Leistungen in den Dorfstadien der Welt. Wäre unseren früheren Lokal-Fußball-Stars nicht was dazwischen gekommen: Häusle, Familie, G’schäft… G’schafft hätten sie’s bis zur WM. Garantiert.

Die Würdigung unserer lokalen Fußball-Idole für Sportsgeist und unbändiges Talent ist also längst überfällig. Da die Namen der wackeren Streiter von damals nicht mehr bekannt sind, erlaubt sich lebalcony, ihre Fotos repräsentativ durch die Namen unserer aktuellen Fußballhelden zu ersetzen. Um ihnen so angemessene Vertreter samt gebührender Schlagzeile zu widmen. Durch eure tapfere Vorarbeit wurden Spiele wie gegen Schweden erst möglich. lebalcony hofft, dass ihr unsere Mannschaft auch für das restliche Turnier noch mit euren Good old Vibes befeuern könnt.

Zeitpunkt der damaligen Veröffentlichungen: ca. 1983 bis 1987.

Medium: Sindelfinger Zeitung.

Bildagentur: Stampe

Fotograf: Sam Lazay

Ligen: Kreis-, Bezirks-, Landesliga Baden Württemberg.

Background: Fürs Studium benötigte ich damals ein Praktikum. Da ich schon mit fünfzehn erste Karikaturen an die Sindelfinger Zeitung verkaufen durfte, konnte ich mich schon früh über erste Connections freuen, die mir später den Weg zur örtlichen Bildagentur Stampe ebneten. Mit deren Chef, Friedrich, verstand ich mich auf Anhieb prächtig. Ich hab’ sauviel von ihm gelernt, einen Mordspaß mit ihm gehabt. Und: bis heute wüsste ich, wie man mit einem Nikkor 300mm/2.8 im Dunkeln aus der Hand mit einer 1/15 Sek. fotografieren und ein gestochen scharfes Bild bekommen kann, einen Ilford HP5 auf 3200 ASA pusht, blind in der Dunkelkammer entwickelt und am Vergrößerer zu einem perfekten Bild abwedelt. Ja, Fotografieren war mal echt kompliziert. Weil ich soviel gelernt habe und weil es mir ein Riesenansporn war, selbst beim übelsten Dorfgebolze, wenigstens ein würdiges Foto zu schießen, fragte mich Friedrich, ob ich nach meinem Praktikum nicht als freier Fotograf bei ihm arbeiten wolle? Grübel, grübel… coolster Chef der Welt… Superstressiger Job, aber megacool… XXL-Spaßfaktor und feiner Lifestyle während des Studiums… Will sagen: ich hörte mich nicht Nein sagen. Und so habe ich mich neun Semester lang, jedes Wochenende auf Fußballplätzen, Schützenvereinen, Motocross-Weltmeisterschaften, Bürgermeister-Ehrungen, Rock-Konzerten, Sommerschlussverkäufen, Sport-Veranstaltungen jeglicher Couleur wiedergefunden: Feldhandball, Beiwagenrennen, Traktor-Pulling, Langbogenschießen… Und und und… Selbst die Swingbo-Europameisterin durfte ich samt göttlich geschwungener Linien im Schnee fotografieren.

Hasta luego, Freunde! – bis zum nächsten WM 2018-Beitrag – täglich auf lebalcony,

Sam Lazay