Liebste Roswitha,

allen, die nach unserem letzten Treffen noch auf diesem Planeten verweilen, hast du gestern einen schönen Abschied bereitet. Wie nicht anders von dir zu erwarten.

Die, die du wie eine Schwester bist. Und dann auch noch die beste der Welt: wunderschön, sanft, weise, lustig und über allem erhaben. Manchmal ist es gar nicht so leicht, deine Inspiration, Lebensbereicherung und ganze positive Lust am Leben wegzustecken.

Michaela und dein Alphornkollektiv haben dir gestern großartige Klangsphären geschaffen. Erst vor ein paar Monaten nach einem herrlichen Abend bei unserem Lieblingsgriechen in der Aberlestraße mit Michas gesamtem Orchester hat uns Micha spät nachts in der U-Bahn ja noch ein Ständchen gesungen. Felix erzählte mir gestern von eurer Idee, der Ausrufung des Weltjammertages. Wie wunderbar, damit einen Fokus auf mehr Freude im Leben zu legen. Ich erzählte Felix von unserem Plan, Lesungen auf lebalcony.de stattfinden zu lassen. Vorgetragen mit deiner fantastischen Stimme, die mich schon immer betörte

– dein Balsam für die Ohren unserer Welt.

Friedi freute sich über mögliche Synergien von Weltjammertag und neuem lebalcony-Beitrag. Georg vom Alphornkollektiv erinnerte sich, wie wir mal zentnerweise Kodak-Karussel-Projektoren hoch auf einen Münchner Kirchturm trugen, damit du innen die heiligen Hallen mit deinen frivolen Rosenbildern erleuchten konntest. Georg aus der Aberlestraße konstatierte professionell den biologischen Prozess des Seins. Gunnar bestätigte mir, mit dir das größte Geschenk überhaupt zu haben. Nick Woodland kam definitiv im schärfsten Outfit: all in black mit superspitzem Schuh und on top: würdigem Zylinder. Inge konnte auch trauernd wunderbar lächeln. Annette war mir wie stets eine freudige Erscheinung, so wie alle anderen auch, die ich durch dich kannte. Wenn mir auch der Großteil deiner Gäste persönlich nicht bekannt war. Aber so ist das eben als Medium.

Man kann als Freund des Mediums nicht alle Freunde des Mediums kennen.

Trotzdem habe ich auch ein paar Gesichter vermisst. Zum Beispiel den jungen Herrn, bei dem wir während unserer Aberlestraßen-Zeit immer wieder gerne einkehrten, um uns damals in der Maximilianstraße 36 mit der einen oder anderen Kaltschale und fantastischem Roastbeef zu stärken. Man sagt, er hätte es zu einer Berühmtheit und mehrmaligen deutschen Meister im Bartender-Gewerbe gebracht. Da ich wusste, dass ihr schon weit vor meiner Zeit gut befreundet wart, ich aber nicht wusste, ob er von unserer gestrigen Zusammenkunft weiß, habe ich mir erlaubt ­ihn von Hamburg aus anzurufen und ihn zu informieren. Auch wenn ich ihm persönlich nicht bekannt bin, ließ er mich sein Beileid wissen. Möglicherweise schien er gestern verhindert gewesen zu sein. Oder ich habe ihn unter den vielen Gästen einfach nicht erkannt.

Wie hast du denn dein letztes Come-together gesehen?

Ich könnte mir vorstellen, dass dich die eine oder andere Formulierung sogar hat lachen lassen müssen, „Frau Roswitha Pross“. Und das mit dem philippinischen König, seinen beiden Söhnen, den fünf Silberlingen und dem Kerzenschein, der heller als ein Haufen unnützes Zeug scheint…

„Ja, mei, der ist halt noch nicht soweit“, klingt es da von dir in meinem Ohr. Klar, das hätte man bestimmt auch etwas Roswitha-typischer formulieren können. Aber, es sei ihm verziehen, dem Kirchenmann. Nicht jedem ist es vergönnt, so individuell und tolerant auf die unterschiedlichsten Menschen einzugehen wie du. Und nicht allen ist es in die Wiege gelegt, ein Master of Ceremony zu sein wie du, Roswitha.

Seit dem ich dich vor 24 Jahren kennenlernte und immer, wenn ich in München kürzere oder längere Projekte hatte, sieben fantastische Jahre bei dir residieren durfte, war

deine Aberlestraße 4 – mein Münchner aberwitzig Haupt-Plaisir.

Jedes mal bin ich mit einer Riesenfreude auf dich von Hamburg oder Barcelona nach München geflogen. Und selbst, wenn mal keine Platten-Produktion, kein Schamanen-Kongress, kein Alphornkonzert, kein Feng Shui-Happening, kein Spontan-Alarm in deiner Küche stattgefunden hat, liebte ich auch die leisen Momente mit dir. Bei Butterbrezn am blauen Tisch. Dazu einen guten Käse. Oder ein feines Augustiner. Oder wunderbare Antipasti vom italienischen Spezialitätenhändler, drei oder vier Hausnummern weiter. Wie du weißt, habe ich von jenem Italiener in der Aberlestraße bis heute noch 42 Dosen passierte Tomaten aus unserer gemeinsamen Zeit.

Von ursprünglich über 200. Das längste Haltbarkeitsdatum ist bereits 2005 abgelaufen. Auf Grund natürlichen Gärungsprozesses platzt ab und an in meiner Hamburger Wohnung auch mal eine Dose. Macht eine Riesensauerei. Und führt schon mal zu einem neuen Küchenanstrich. Letztendlich ist aber jede geplatzte abgelaufene Dose immer wieder eine großartige Erinnerung an unsere herrliche gemeinsame Münchner Zeit und die nie ablaufende Haltbarkeit unserer wunderbaren Freundschaft.

Roswitha, ich freu mich schon auf die nächste geplatzte Dose.

Leise hat bei dir nur nie richtig lange gehalten. Weil’s immer schnell was zu lachen gab. Mal albern, mal derb. Mal über die Münchner, mal über deine, mal über meine Kollegen. Mal über unsere Familien. Mal über unseren New Yorker Schlagzeuger und Mitbewohner, der wie kein zweiter „yeah…“ nuscheln konnte. Und das täglich hundertfach. „yeah…“, so künstlerisch wertvoll, so herrlich schmutzig, so überzeugend gleichgültig konnte der „yeah…“ unartikulieren. Ich weiß noch, wie wir aufpassen mussten, dass sich jenes „yeah…“ nicht in unserem Sprachgebrauch verankerte.

„yeah…“, babe, this „yeah…“ goes faster than one would like, yeah…“.

Bei all deinem Humor, bist du trotzdem immer gutmütig, nie verletzend. Immer entspannt, nie entwürdigend. Letzten Sonntag habe ich mir fest vorgenommen, so zu dir zu fliegen, wie du mich kennst und dass meine Freude über dich, jeder Trauer überwiegt.

Mein größtes Kompliment an dich, du große Künstlerin: Jeder deiner vielen Freunde, hat seine, ihre eigene Roswitha.

Roswitha, du bist ganz, ganz viele.

Und bleibst noch viele mehr. Alleine ich kenne viele, die lieben dich, ohne dir jemals persönlich begegnet zu sein. Klingt verrückt. Ist es auch. Und dann auch noch von allen geliebt zu werden, das muss man erst mal hinkriegen.

Auch wenn Schmerz und Tränen tief sitzen, das Schöne, Roswitha, mit dir so lange befreundet zu sein, soll uns für immer erhalten bleiben.

Nachdem ich gestern schon wieder zurück nach Hamburg kam, konnte ich es mir nicht nehmen lassen, zum Alster-Feierabend noch mal mit dem einen oder anderen Augustiner auf dich anzustoßen. Und mit mir all deine vielen, vielen Hamburger Freunde auch…

Besos, du wunderbares Geschenk des Lebens,

dein Samuel

Besonderen Dank an dich sagen auch:

Bea Kiwitt, Creative Directorin, Hamburg, die das „Gute Reise!“-Aufmacher-Foto für dich schoss. http://www.bea-kiwitt.de/

Suse Rehm, Geschäftsführerin PX5 München, die dem Foto im Finishing noch die besondere Aura verlieh. https://www.px-group.de/

Capt’n Gunnar und Erster Offizier Steffen auf dem Cafe Hansasteg,
Schöne Aussicht 20A. Für die großzügige Zurverfügungstellung ihres Steges zur Wasserung unserer Insel. http://www.cafehansasteg.de/Cafe_Hansasteg/Home.html

Carsten Born, Segler aus Hamburg. Eigentlicher Held dieses Fotos. Hintergrund: Insbesondere die Palme jener Insel war schön etwas porös und hielt nur Luft für maximal zwei Minuten. Carsten war von unserer Roswitha-Aktion so überzeugt, dass er es sich spontan anbot, als Palmen-Läufer immer wieder über den gesamten 60 m Steg bis zur Elektropumpe – und dann wieder zurück – zu spurten, um der Palme wenigstens für ein paar Sekunden einen würdigen Stand zu gewähren. Auf Grund von Wind und Strömung kein einfaches Unterfangen, wie Insel-Fotografin Bea und Robinson Sam gerne bestätigen können. Roswitha für dich läuft man eben gerne.