5 Tore sollten drin sein. Griezmann, Mbappe, Giroud im bastillischen Sturm auf Livaković. Perisićs, Mandzukić offensivić gegen Hugo Lloris.
Hamburg, 16:15 Uhr. Die Winterhuder Sonne streichelt über meine nackten Füße auf dem Geländer von lebalcony. Mein Handy klingelt. Manu. Sie ist da. Zurück aus Frankreich.
Ich werf’ mir schnell was über und komm’ runter zu ihr ans Auto. Ich kann Manu ja nicht alleine 50 Final-Flaschen Kronenbourg nach oben in die vierte Etage tragen lassen. Und ich trage ja sowieso grundsätzlich gern. Manu trägt eine schwarze Sonnenbrille und ist wie immer gut drauf. Über Manus Motorhaube zeichnet sich prägnantes Hitzeflimmern ab, wie wir es aus Le Mans, Monte Carlo, Indianapolis und dem Nürburgring kennen. Aus Manus Maschinenraum erklingt das spitze, metallische Knistern des Motor-Abkühl-Prozesses, das bis hoch auf lebalcony zu hören ist. Die Pneus von Manus Boliden versprühen den Duft einer extra dick aufgetragenen Note MICHELIN Pilot Sport 4 S.
Nur zu gerne würde ich hier erwähnen, mit was für einem Geschoss Manu unterwegs ist. Doch Manu will das nicht. Prunken, protzen, kokettieren ist nicht Manus Ding. Manu genießt und schweigt. Ein feiner Mensch, diese Manu. Und so bescheiden.
Die 685 Kilometer, um 50 Kronenbourgs in 4 Stunden und 31 Minuten von Metz nach Hamburg zu überführen, haben Manu völlig cool gelassen. Wie immer duftet sie wunderbar nach Dior J’adore.
Beruflich ist Manu auch schon mal mit ihrer MV Augusta Brutale 1090 unterwegs, um möglichst schnell von einer Baustelle zur nächsten zu gelangen. Manu ist Ingenieurin des industriellen Instandhaltungswesens Also wenn ihr auf der Autobahn mal wieder einem dieser aufmerksamen Zweiradfahrer begegnet, die – iiiiiiiiiiiiiiiiiaaaAAAOOoooooo… – mit über 300 an euch vorbeipfeifen, dann ist das nicht böse gemeint – nein, ganz im Gegenteil! – es könnte auch Manu sein, die irgendwo ein Leck eines Raffinerietanks reparieren muss. Stellt sich die Frage, was ist riskanter: Wenn die Raffinerie in die Luft fliegt? Oder, wenn man zügig unterwegs ist? Eben!
Doch zurück zu den Kronenbourgs. Wir befördern soviel wie möglich davon in Manus Eisfach. Den Rest kühlen wir in Erinnerung guter Studentenzeiten in Eimern mit Eis aus meinem Kühlschrank in der ersten Etage. Es klingelt. Bea. Die zweite schwarze Sonnenbrille. Bea trägt rote Stiefeletten mit blauen Jeans und drunter weiße Söckchen, wie sie mir verrät, um den Farben der Trikolore gerecht zu werden. Bea hat ein ganz vorzügliches Avocado-Etwas mitgebracht. Zusammen mit meinem französischen Schinken- und Salami-Arrangement sind wir lukullisch bestens ausgestattet. Schwarze Sonnenbrille Nummer drei und vier haben wegen familiärer Außer-Haus-Termine leider abgesagt. Das ist sehr schade. Dafür rückt noch Freund Matthias auf, der sich im Kalauer-Schießen für Bea schon mal warmgelaufen hat. Wobei wir mal wieder feststellen, was für eine coole Community wir bei uns im Haus haben. Und dass wir gleich ein super Spiel erleben dürfen, liegt förmlich in der Luft.
Ob es für five Vive-la-France-Tore reicht, wird sich zeigen. Mit 50 Kronenbourg haben wir jedenfalls unseren Tribut für die Equipe Tricolore geleistet. Sollte FRA nicht gewinnen, könnte zuviel KROnenbourg möglicherweise auch von jemandem fälschlich als pro KRO verstanden worden sein.
Wir werden sehen. Und sind gespannt. Bedanken wollen wir uns auch bei den vielen, unbekannten Helden der nicht-kroatischen, dafür schwäbischen Kreisliga von einst. lebalcony möchte ihnen heute das zukommen lassen, was ihnen gebührt: Respekt und Achtung für ihre herausragenden Leistungen in den Dorfarenen der Welt. Wäre unseren früheren Lokal-Gladiatoren nicht was dazwischen gekommen: Häusle, Familie, G’schäft… G’schafft hätten sie’s bis zur WM. Garantiert.
Die Würdigung unserer heimatlichen Sports-Idole für ihr unbändiges Talent ist also längst überfällig. Da die Namen der wackeren Streiter von einst nicht mehr bekannt sind, erlaubt sich lebalcony, ihre Fotos repräsentativ durch die Namen unserer aktuellen Fußballhelden zu ersetzen. Um ihnen so angemessene Vertreter samt gebührender Schlagzeile zu widmen. Durch eure tapfere Vorarbeit wurden vier Weltmeistertitel erst möglich. lebalcony hofft, dass ihr in vier Jahren ein paar mehr Schippen eurer Good old Vibes drauflegen könnt.
Zeitpunkt der damaligen Veröffentlichungen: ca. 1983 bis 1987.
Medium: Sindelfinger Zeitung.
Bildagentur: Stampe
Fotograf: Sam Lazay
Ligen: Kreis-, Bezirks-, Landesliga Baden Württemberg.
Background: Fürs Studium benötigte ich damals ein Praktikum. Da ich schon mit fünfzehn erste Karikaturen an die Sindelfinger Zeitung verkaufen durfte, konnte ich mich schon früh über erste Connections freuen, die mir später den Weg zur örtlichen Bildagentur Stampe ebneten. Mit deren Chef, Friedrich, verstand ich mich auf Anhieb prächtig. Ich hab’ sauviel von ihm gelernt, einen Mordspaß mit ihm gehabt. Und: bis heute wüsste ich, wie man mit einem Nikkor 300mm/2.8 im Dunkeln aus der Hand mit einer 1/15 Sek. fotografieren und ein gestochen scharfes Bild bekommen kann, einen Ilford HP5 auf 3200 ASA pusht, blind in der Dunkelkammer entwickelt und am Vergrößerer zu einem perfekten Bild abwedelt. Ja, Fotografieren war mal echt kompliziert. Weil ich soviel gelernt habe und weil es mir ein Riesenansporn war, selbst beim übelsten Dorfgebolze, wenigstens ein würdiges Foto zu schießen, fragte mich Friedrich, ob ich nach meinem Praktikum nicht als freier Fotograf bei ihm arbeiten wolle? Grübel, grübel… coolster Chef der Welt… Superstressiger Job, aber immer im Dienst der guten Sache… XXL-Spaßfaktor und feiner Lifestyle während des Studiums… Will sagen: ich hörte mich nicht Nein sagen. Und so habe ich mich neun Semester lang, jedes Wochenende auf Fußballplätzen, Schützenvereinen, Motocross-Weltmeisterschaften, Bürgermeister-Ehrungen, Rock-Konzerten, Sommerschlussverkäufen, Sport-Veranstaltungen jeglicher Couleur wiedergefunden: Feldhandball, Beiwagenrennen, Traktor-Pulling, Langbogenschießen… Einzig und allein Disziplinen wie das „Kronenbourg-Cannonball-Race“ blieb meinen französischen Blitzlicht-Kollegen vorbehalten.
Es bleibt spannend! Lebalcony sagt 3:2 für Frankreich.
Bis zum nächsten WM 2018-Beitrag – täglich kurz nach fünf – auf lebalcony. Morgen zur WM-Analyse.
Sam Lazay
Ich kann nur bestätigen: wir waren gestern alles sowas von den (weißen) Socken und aus dem Häusschen, dass Frankreich 4 Dinger rein gemacht hat. Ein großartiges End-Spiel. Mit vieeelen Toren, wie Manu zurecht bemerkte: das hat es seit Ewigkeiten bei keinem Endspiel gegeben. Das war meist eine knappe und enge Nummer. Tendenz 1:0. Also kein Vergleich zu gestern. Es war herrlich bei Manu und den leckeren, ratzfatz mit Ingenieurs-Super-Salztrick runter gekühlten Kronenbourg. Und der Roustique nicht zu vergessen, der auf der langen Fahrt eine perfekte Stinkkäse-Temperatur entwickeln konnte. Riecht streng, schmeckt geil.
Als Halbfranzösin mit Tres-Color-Sonnenbrille und 2018er WM-Schal gekleidet, hat Manu wirklich alles getan, damit ihr Mutterland Weltmeister wird. Schön, dass ich mit futtern, fiebern und lachen durfte. Merci BEAucoup – (Mensch, da werde ich durch die 3 Buchstaben meines Namens ja fast zur Viertelfranzösin.)
BEA, ein BEAu BEAjolais wäre auch genehm. Dazu einen feinen Elsässer Zwiebelkuchen. Was bin ich heute schon wieder verfressen… Unsere Expertenrunde gestern war wirklich ganz große Klasse. Cool, solche Nachbarn zu haben. Matthias blieb noch am längsten, um noch einmal ganz differenziert die Optimierung der Gesamtsituation des DFB zu diskutieren. Und vor allem, die restlichen Kronenbourgs nicht schlecht werden zu lassen.
Es war sehr lustig –
Es ist fast schade, dass die WM schon vorbei ist.
Jetzt brauchen wir andere Gründe für kulinarische Feste
Ich transportiere gern bei Gelegenheit mit dem bescheidenen Flitzer ein weiteres mal ganz viel französisches Gesöff mit Lichtgeschwindigkeit durch good old Germany.
Apropos Flitzer: das high Five der einen Flitzerin, die – zum Entsetzen der männlichen Zuschauer – angezogen waren mit Mbappe war neben Putin, der mal seine Gäste im Regen stehen lässt, während man ihm dem Schirm über die perfekt sitzende Frisur hält eines der lustigen Nebenschauplätze dieses Endspiels.
Manu, da sollte uns bestimmt was feines einfallen, was wir schönes Französisches zelebrieren bzw. importieren können. Für den 6. November, falls du da in Frankreich sein solltest, würde ich schon mal ein Kistchen frischen Beaujolais anmelden. Dazu bereite ich gern eine Quiche mit Goldbeker Speck. Und die Putin-Regenschirm-Performance war wirklich das Ober-Schmankerl des Finales – wie life aus dem Batman-Comic. Oder eben, wie von einem dieser abgedrehten französischen Regisseure…