Hamburg, Winterhude. Rund um den Mühlenkamp. Hier leben, wirken, arbeiten Handwerker, Kaufleute, Künstler, Supermodels, Schornsteinfeger… Und natürlich auch viele andere Hoffnungsträger der Werte-Optimierung.
In exklusiver Alsternähe. Airport Helmut Schmidt, Hamburg Hbf, Autobahnen A1, A7 u.v.a. sind quasi gleich ums Eck.
Grün muss nicht nur für leistungsschwach stehen. Um so mehr fahr‘ ich am Sonntag gern zur Wahl.
Ruhig und von viel Grün umgeben.
Genau, wie es auch diese formidablen Frikadellen, zu schätzen wissen. Die nach ihrem ersten heißen Mahl gern versteckt im Kühlschrank arbeiten, um auch in den nächsten Tagen mit ihrem gesamten Aroma-Potential zu überzeugen wissen.
Wie Winterhude mit seinen vielen Gesichtern ein äußerst angesagter Stadtteil ist, so ist auch die Frikadelle unter den verschiedensten, überregionalen Namen bekannt. „A faschiert‘s Laberl“, (übersetzt: ein gehacktes Laibchen) heißt‘s in Österreich. Im Schwabenländle sagt man „Fleischküchle“. Auf Schwizerdütsch werden „Hacktätschli“ oder „Hackplätzli“ proklamiert. Im Norden schnackt man von „Klopsen“. Und der Berliner sagt: dit sind „Buletten“. Abgeleitet von „Boulette“ geht auch „Bulette“ auf „Boule“, französisch „Kugel“ zurück.
„Boulette“ ist daher – charmant französisch verniedlicht – als „Kügelchen“ zu verstehen. Auch die bundesweite „Frikadelle“ ist französischen Ursprungs. Genetisch verwandt mit dem Fricassée français. In Erinnerung an schulische Französisch-Stunden: „Casser“ heißt so viel wie zerbrechen, zerschlagen. Wobei sowohl Fricassée als auch Frikadellen aus Geschnetzeltem bzw. Gehacktem bereitet werden. Neben Kalb, Huh oder Kaninchen frikassieren unsere französische Küchenfreunde aber auch gerne Tauben, Puten, Lämmer und Ferkel aller Art. Eigentlich alles… Bestimmt gibt‘s in Paris auch Froschschenkel- und Schillerlocken-Fricassée.
Wieso man im bodenständigen Bayern bei Frikadellen von Fleischpflanzerln redet, hat jedoch einen ganz anderen historischen Hintergrund. Hier wurden weder Rinder per identitärer Neuorientierung zu Pflanzen erklärt. Noch wurde versucht, Fleisch einen grün-ideologischen Pflanzen-Anstrich zu geben. Der Terminus „Fleischpflanzerl“ geht vielmehr auf das altertümliche, etwas missverständliche Wörtchen „Fleischpfannzelten“ zurück.
Klar sind „Fleisch“ und „Pfann“. Linguistisch unklar ist jedoch „Zelten“. In diesem Fall ist das ein frühzeitlicher Ausdruck für gewölbten, in Schmalz gebackenen Pfannkuchen. Logo! Das Fleischpflanzerl ist also ein in der Pfanne gebratener „Zelten“, ein „Fleischküchle“!
Ja, so sans, die Leit – hinterm Weißwurscht-Äquator. Im Laufe der Zeit – bzw. vieler, guter bayerischer Biere – hat sich der „Pfannzelten“ dabei phonetisch zum „Pflanzerl“ artikuliert.
Längst überfällig, dass endlich auch dem Hamburger Franzbrötchen die angemessene sprach-innovative Würdigung zukommt. Daher: „Franzbrötchen“ war gestern. Heute ist „Frnzbrön“!
Das klingt hip, ist essentiell auf‘m Punkt und – wichtiger denn je… „Frnzbrön“ spart unglaublich viel Buchstabn – und damit Zeit in Aussprache und direkter Kunden-Kommunikation! Was von gestressten Frnzbrön-Verkäufer*innen statt altbackenem „Bitteschön!“ mit krass coolem „Bitchön!“ erwidert werden kann. Wir lernen mal wieder: Sprache lebt durch Vrändrung.
In Besinnung auf Mutti – und ihrer bis heut‘ fortwährenden Küchen-Finessen wollen wir allerdings einen Ausflug ins Frikadellen-Neuland wagen. Wie meine liebe Mama schon sagte: „Junge, Neues ausprobieren ist immer spannender – als all die ollen Kamellen. Also, ran an die Frikadellen de Nouvelle Cuisine!
Zu Zutaten: Eier, Milch, Brötchen, Mehl oder andere Bindemittel… Alles altgediente, zusätzliche Bestandteile von traditionellen Frikadellen. Speziellen Gehirnzellen, professionellen Küchenmodellen der lieben Frau Mama sei Dank, ist hier herauszustellen, gerade professionellen Junggesellen neue Erkenntnisse bereitzustellen.
Denn Ei und Milch sind für die Frikadelle haltbarkeits-bedenklich. Mehl wie andere Krümel schmecken nach Ziegel. Und Brösel nach Mörtel. Also: Weg damit! – noi, ihr kommt hier net nei!
Wir fokussieren uns ausschließlich auf 1000 Gramm Premium-Rinderhack, zwei größere Zwiebeln, vier Knobi-Zehen, zwei Piri-Piri-Schoten, zwei Handvoll frisch gezupfter Basilikumblätter. Dazu ein fröhlicher Klacks Dijon-Senf, ein Schuss Tomatenmark, ein Schwung Olivenöl, Salz, Pfeffer aus der Mühle sowie gerebelter trockener Majoran. Muskat muss nicht, aber kann.
Mit einem sehr, sehr scharfem Messer stellen wir uns der Herausforderung: eine möglichst feine, natürlich verbindende die maximale Anzahl kleinster Zwiebel- und Knobi-Würfelchen zu schneiden. Mein Rekord liegt bei 30 Längs- und 25 Quer-Schnitten pro Zwiebelhälfte. Bei durchschnittlich sechs Zwiebel-Schichten bedeutet das: 30 x 25 x 6 x 2 = rund 9000!!! – hochgerechneter winzigster Würfelchen. Ganz sensibel aus nur einer Zwiebel.

Was beweist, wieviel unendliche Leidenschaft in einer Zwiebel stecken kann, um über den Tellerrand hinaus mit breiter Massen-Wirkung zu begeistern.
Zusammen mit dem natürlichen Zwiebelsaft, Olivenöl, Senf, Tomatenmark, den ebenfalls hauchdünn geschnittenen Piri-Piri-Ringen samt Basilikum-Streifen vermengen wir das Ganze zu einem herzhaften Aroma-Mousse. In einer so groß wie tiefen Schüssel oder Schale. Jetzt kommt unser Rinderhack dazu. Was wir vorher, soweit es geht, mit Küchenkrepp trockengetupft haben, um schon im Vorfeld so viel Flüssigkeit wie möglich zu reduzieren.
Dann heißt es: kneten, kneten, kneten… Das ist gut für die Muskulatur – für die Libido sowieso. Nie vergessen, dabei immer an seine Liebste/Liebsten denken. Ist die Bouletten-Basis rundum homogenisiert, hat sie sich ein kleines Päuschen verdient. Während alles für ein Stündchen bei Wohlfühl-Zimmertemperatur zu einem entspannten, harmonischen Gemenge verschmilzt.
Derweil darf man sich schon mal Gedanken über den passenden Wein machen.
Idealerweise den guten Tropfen öffnen, degustieren und ihn mit Kennerblick als kompatibel deklarieren.
Jetzt geht’s ans Portionieren. Mit konzentriertem Augenmaß versuchen wir idealerweise immer wieder gleich große Bällchen zu erhalten. Bei ca. 50 bis 150 Gramm pro Stück entspricht das bei ca. 1200 Gramm Pflanzerl-Masse ca. 8 bis 24 Kügelchen. Die modellieren wir so lange mit routinierten Händen bis zum perfekten Kügelchen-Mass-Index. So dass sie makellos, glatt, rund und formvollendet sind.
Wenn die Kügelchen zu kalt ins heiße Öl gelangen, könnten sie dazu neigen, am Pfannenboden zu verkleben und möglicherweise ihre Form zu verlieren. Daher ist es wichtig, die einzelnen Kügelchen durch nochmaliges, ausgiebiges Rollen in der Hand vorzutemperieren.
Beim Braten heißt es, den Leckerchen immer gut zureden. So bleiben sie gespannt beim Thema – und fangen nicht an, wenn’s heiß wird, komisch zu werden. In der Pfanne laut mit Öl rumzuspritzen und dabei die ganze Küche einzusauen, ist ja nicht unsere Intention. Wichtig auch: immer schön zuhören. Ganz aufmerksam. Damit sich die Kleinen möglicherweise nicht unbeachtet und kleinlaut unterkühlt fühlen. Die wohl geformten Bällchen müssen immer im Mittelpunkt des Geschehens stehen, liegen oder kugeln. Dabei immer schön bewegen, die Pfanne.
Gerne auch mal schräg halten. Und mit einem großen Löffel immer wieder für Positionsveränderung unserer runden Teile sorgen. Oder sie gegebenenfalls mit heißem Öl der Pfanne benetzen.
Ziel ist es, für eine rundum krosse Kruste zu sorgen.

Insgesamt fest und innen zart. So woll‘n wir das Glück auf Gabeln.
Feine Röstaromen sollen sich entfalten und das Mahl zur Lust gestalten. On top ist ein knuspriges Äußeres eine nicht zu unterschätzende Komponente für den gesunden Zusammenhalt. Besser und leckerer als empfindliche Eier, Mehl und olle Semmelbrösel.
Nach circa fünf Minuten scharfem, rundum gekugeltem, heißem Anbraten heißt es, die Bällchen nochmal so lang bei mittlerer Temperatur in der Pfanne weiter zu kugeln, rollen und bewegen. Bis sie den Eindruck vermitteln, reif fürs erste Mahl zu sein.
Doch das Beste zum Schluß: Alle Bällchen, die wir übrig haben, abkühlen lassen, in einer großen Schale straff mit Frischhaltefolie versiegeln. Und ab damit in den Kühlschrank! Denn: kühler munden sie noch cooler. Ganz sicher. Tagelang.
Sam Lazay (i. A. v. Fr. Ika Delle)
lebalcony – coole Typen und Stories aus Winterhude bis darüber hinaus
Wer diesen Ausflug in die Welt der Hackfleisch-Bällchen bis zum Ende durchgehalten hat, scheint grundsätzlich Spaß am Leben zu haben. Und von hedonistischer Natur zu sein.
Kommentare, Nachfragen und neue Anregungen dazu können daher nur gut sein…
Also, immer ran an die Bouletten!!!

Für den Artikel bekommst du von mir den Fleischpflanzerl Oscar! Bilder per PN!
Matthias, recht herzlichen Dank. Ich freue mich ganz besonders, diese Auszeichnung guten Gewissens und wohlverdient annehmen zu dürfen. Darüber hinaus ist mir über einen universitären Kontakt zusätzlich empfohlen worden, jenen Buletten-Artikel als Dissertation zur Erlangung eines Doktorgrades an einer Hochschule einzureichen. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse sollten schließlich mit der wissbegierigen Jugend, ambitionierten Kollegen und im Sinne des öffentlichen Interesses geteilt werden.
Bestes Frikadellen-Rezept ever! Ach, was sag‘ ich, allerbeste Buletten-Doktor-Arbeit ever!!!
In dem Beitrag steckt mehr Liebe drin als in meiner Ehe der letzten 15 Jahre
I like to garden. I grow things, vegetables, flowers… but particularly I like Pflanzerl.