Biometrische Passfotos sollten mir gestern den Weg zu einem feinen, neuen Personalausweis samt ebensolchen Führerscheins weisen. Cool, biometrisch hört sich erst mal nach Bio an. Liegt also voll im Trend. Klingt nach Lifestyle, hipper Happieness. Und das auch noch bio-scientifically untermauert. Ist doch die Biometrie die Wissenschaft, die sich mit Messungen an Lebewesen und deren dazu erforderlichen Mess- und Auswerteverfahren beschäftigt.

Also auch an freien Textern, Creative Directoren und Dozenten für Kommunikations-Design, wie mir…

Yeah! – endlich bekomm‘ ich qua Passbild für mein Sein den fotografischen Freifahrtschein. Da muss fürs Shooting eines biometrischen Passfotos natürlich auch das Outfit stimmen. Daher: Sacco: Romeo Gigli. Hemd: G Star Raw. T-Shirt: American Apparel.

Und auf, auf ins Foto-Studio. Als mich die Fotografin allerdings bat, bitte nicht so freundlich zu gucken und gemäß den Design-Standards biometrischer Fotos meinen Blick tiefer und gebeugter anmuten zu lassen, dachte ich mir: „Ok, wenn’s der Sache, dem Klimawandel, Weltfrieden und einem besseren Deutschland dienlich ist… Das Ergebnis:

 

Biometrische Demut zu zeigen, scheint das neue Happy goes lucky. Dass dann letztendlich ein Bild von einem korrekten, „leicht depressiven“ Herrn Kaiser von der Hamburg/Mannheinmer rauskam, ist bestimmt einer immer stärker erlebbaren Sinn-Entfremdung, einem nicht mehr funktionierendem Ganzen samt unnachvollziehbarer Politik/Bürokratie und täglich spürbarem sonstigen Wahnsinn geschuldet.

Doch biometrisch hin, biometrisch her. Ich finde, ein Passbild sollte auch immer auch der unmittelbaren Authentizität der Wahrnehmung entsprechen. Sind doch die Messungen an Lebewesen und deren dazu erforderlichen Mess- und Auswerteverfahren nicht ausschließlich an äußerlichen Konventionen, gewollter Correctness und genormter Unfreundlichkeit festzumachen. Innere Werte können hier einen um so prägenderen Eindruck vermitteln.

 

Gerade, wenn bei Verkehrs-Kontrollen allein aus dem Führerschein-Foto schon eine vertrauenserweckende Heimatverbundenheit abzuleiten wäre.

 

Oder wie hier auf biometrisch optimierten Foto erst vor zehn Tagen: Was ein Hamburger in Süddeutschland bzw., was ein gebürtiger Süddeutscher im Norden zu suchen hat: Freiheit, Sinnhaftigkeit, Lebensfreude, Liebe zum Beispiel. Auch wenn sie über 650 km entfernt ist…

 

Sam Lazay

lebalcony.de – Coole Typen und Stories aus Winterhude bis darüber hinaus