Zugegeben, eineinhalb Jahre nach dem historischen WM-Desaster der Deutschen Fußballmannen, kurz: the Mannschaft, ist schon wieder reichlich Gras über the Angelegenheit gewachsen. Damals als sich Team Deutschland darauf verließ, dass das mit der WM schon irgendwie passen wird. Nur leider passte gar nix.
Wir erinnern uns: Deutschland schied erstmalig in der Geschichte bereits in der Vorrunde aus. Gegen Bangladesch! Oder Turkmenistan? Nein, Südkorea war’s – glaub‘ ich.
Man mag Trainer Jogi für manches kritisieren bei jener letzten WM. Nur nicht für seine lapidare Analyse nach der 0:2-Klatsche gegen die südkoreanischen Fußballrookies. Da konnte man Löw nur recht geben: „Wir haben es einfach nicht verdient gehabt, in dieser Gruppe weiterzukommen.“ In einer Konstellation mit durchaus bezwingbaren Kontrahenten wie Mexiko, Schweden und eben Südkorea vorzeitig die Segel zu streichen ist ja nicht eben alter Preußen Art – lebalcony.de berichtete täglich. Von 17.Juni bis 16. Juli 2018:
Am Ende Letzter geworden zu sein, ist bestes Zeugnis dafür, dass es im Deutschen Fußball ordentlich knirscht im Gebälk. Wirklich überzeugend war nur die Kraft-, Seelen- und Ideenlosigkeit. Was auf der einen Seite beherztes Nachbessern oder auf der anderen Seite verheißungsvolle Alternativen dringlich erscheinen ließe. Sollte das mit dem Fußball also gar nicht mehr klappen, hätte lebalcony.de für den internationalen, sportlichen Wettbewerb einen echten Joker auf der Hinterhand: Backgammon.
Man stelle sich vor, statt Fußball würde in Hinterhöfen, auf Bolzplätzen und Stadtparkwiesen Backgammon gespielt. Bei Stammtischen würde nicht über Fußball-Fouls sondern über Backgammon-Finten diskutiert. Es gäbe Public Backgammon-Viewing. In TV-Übertragungen würden Backgammon-Stars nach dem Spiel Sätze sagen wie:
„Barmbek oder Barcelona? – Egal – Hauptsache Backgammon!“
Oder:
„Ich wage die Backgammon-Prognose: Es könnte so oder so ausgehen.“
Oder:
„Zuerst hatte ich kein Gammon, und dann kam auch noch Back dazu.“
Oder gar:
„Ich wollte in Barcelona keine Gegenpunkte kassieren. Das hat auch bis zu Anjas erstem Gegenpunkt ganz gut geklappt.“
In der Sportschau gäbe es den Backgammon Zug des Monats. Backgammon-Hooligans vom FC St. Pauli und HSV würden sich wilde Prügeleien in den Backgammon-Arenen liefern – und dann feststellen, wie cool es ist, selber Backgammon zu spielen. Locations dazu würden sich ja reichlich anbieten.
Schon hört man die Chöre zigtausender Stadionbesucher: „Olé, olé, olé, olé… Backgammon ist unser Leben… Backgammon regiert die Welt…“
Ähnlich wie Fußball ist Backgammon ein Spiel, bei dem jeweils über eine Handvoll gegnerische Figuren gegeneinander anrennen, versuchen die Kontrahenten so gut es geht zu stören und wegzuhauen.
Statt der Fußball-Schicksalskomponente „Schiedsrichter“ übernehmen das Amt des Unparteiischen die Würfel, die eine Reihe dummer Würfe machen. Und am Ende… gewinnt immer Sam.
Backgammon ist ein hoch dynamisches, schnelles, kraftvolles und gleichzeitig technisch wie taktisch anspruchsvolles Kampfspiel, das viel Angriffslust und Durchsetzungswillen verlangt. Bewusster Körpereinsatz wird durch das Gebot des Fairplays fast vollständig ausgeschlossen. Zuwiderhandlungen, wie Füsseln, „zufällige“ Berührungen oder andere haptische Zuwiderhandlungen gegenüber dem Kontrahenten werden allerdings grundsätzlich toleriert. Solange sie konform der Statuten des internationalen Liebreizes sind.
Mentale, wie physische Präsenz und ein immer wieder upgedateter Trainingsstand sowie technisches wie taktisches Können machen ein Backgammon-Match heute sowohl als Männer-, Frauen als auch gemischte Disziplin zu einem philosophisch athletischen und platonisch ästhetischen Begegnung.
Die besondere Spannung entsteht aus dem stets offenen Spielausgang, aus dem Gelingen oder Missglücken der Spielzüge, aus dem präzisen Spielaufbau, den virtuosen Einzelaktionen, dem Kämpfen Aug um Aug, Stein um Stein, aber auch aus dem taktischen Austricksen des Gegners, der Kommunikation sowie der psychologischen Finesse mit dem Gegenüber. Da jedoch nur die erzielten Punkte verbucht werden, entscheidet schließlich das bessere Punkteverhältnis über den endgültigen Sieg. Unabhängig davon ob das Ergebnis durch spielerische Überlegenheit oder bessere Chancen „verdient“ war oder nicht. Backgammon ist nach der Wettstreits-Theorie ein sogenanntes Nullsummenspiel. Das bedeutet, die Größe des Sieges des einen korrespondiert mit der Schwere der Niederlage des oder der anderen: Punktgewinn hier bedeutet gleichzeitig kein Punktgewinn da. Erfolg und Misserfolg stehen im Wechselverhältnis.
Der eine Spieler gewinnt so hoch wie die andere Spielerin verliert. Doch die Bilanz kann von Augenblick zu Augenblick umschlagen. Das stimuliert den Kampfgeist der Kontrahenten und das Mitfiebern ambitionierter Zuschauer.
Ein fast verloren geglaubtes Spiel kann sich immer noch zu einem Sieg wandeln. Umgekehrt genauso. Doch das aller-Coolste: Backgammon kann grundsätzlich überall gespielt werden. Im Stadion. Am Strand. Im Bett. Auf den Malediven. Über den Wolken. Oder beim morgendlichen Frischmachen. Auf dem Land. Oder in Urban Gardening Hotspots, wie zum Beispiel: lebalcony.de
Bei der aktuellen Backgammon-WM 2020 in El Masnou steht es in der Spitzenbegegnung Barcelona – Hamburg übrigens 48:59.
Hasta luego, compañeros
Sam Lazay
lebalcony.de – coole Typen und Stories aus Winterhude bis darüber hinaus
Ich gebe neidlos zu, dass Deutschland in diesem Match klar die besseren Karten bzw. Würfel hat. Aber die ein oder andere Würfelschwalbe war schon auch dabei. Aber es geht ja noch weiter und da ist noch alles drin. Also warm anziehen, Herr Lazay!
Werte Señora Anja, da ich mich in Ihren Gemächern sehr über Alexander von Humboldtsche Werke freute, in denen ich während unserer Turnierpausen ausgiebig schmökerte, kann ich mich der Humboldtschen Erkenntnis nur anschließen: „Alles hängt mit allem zusammen“.
Was ich übrigens sehr cool finde – und bis dato gar nicht wusste, dass sich die Gebrüder Humboldt mit Goethe, Schiller und Kant in regem Austausch befanden. Auch ein gewisser René Descartes „Ich spiele Backgammon, also bin ich“ soll in jenem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben.
Wer von den wunderbaren Zeitgeistern nun der beste Backgammon-Spieler gewesen ist, kann leider nicht zweifelsfrei ermittelt werden. Trotzdem, wenn Apple demnächst mit einer App fürs Beamen respektive Zeitreisen ums Eck kommt, würde ich mit einem der fünf oder am liebsten mit allen zusammen wahnsinnig gerne mal Backgammon spielen. Das wäre mir ein ganz vorzüglich Plaisir.
Und Sie, liebe Anja, wären selbstverständlich mit dazu eingeladen. Meine Prognose: vermutlich würde Schiller wegen übermäßigen Sturmes und Dranges schon in der Vorrunde ausscheiden. Dicht gefolgt von Kant, der wegen seiner Kritik der reinen Vernunft ebenfalls schon früh an der Backgammon-Ratio scheitern würde. In den Halbfinales könnten dann Anja gegen Goethe und Lazay gegen Descartes stehen. Anja würde Goethe gleich eines Osterspazierganges locker vom Tisch fausten. Und da Lazay am Ende sowieso immer gewinnt, wäre auch Descartes gleich um eine Verlust-Erkenntnis reicher.
Getreu dem olympischen Motto „Dabeisein ist alles“, wären Sie dann im Großen Philosophen-Backgammon auf alle Fälle schon mal sichere Zweite. Das ist toll! – und können die wenigsten von sich behaupten: im Backgammon besser als Goethe, Schiller, Kant, Descartes zusammen zu sein.