lebalcony.de – die Orientierungshilfe für Meinungsbildung und positives Weltverständnis steht klar zu den weltweiten Massenprotesten gegen Polizeigewalt und Rassismus, insbesondere der Diskriminierung der Afroamerikaner in den USA. Jeder Aufschrei, den George Floyd mangels Atem nicht mehr tätigen konnte, kann nur ein löbliches Statement für eine bessere Welt und ein gerechteres Miteinander sein.

Wenn ein sadistisches „White Master“-Arschloch in Uniform lässig mit der Hand in der Hosentasche auf einem am Boden liegenden, um sein Leben winselnden, hilflosen Menschen thront – ihm fast neun Minuten lang sein weißes Knie in die schwarze Gurgel presst und dabei den Atem abschneidet, darf das nicht sein. Wären es 20 Sekunden gewesen, könnte man die Frage, ob nun Polizeigewalt oder nicht, vielleicht noch gelten lassen. Bei neun Minuten pervers in die Kamera triumphierendem, tödlichem Sadismus im Auftrag der Staatsgewalt gibt es innerhalb des demokratischen Gedankens nichts mehr zu diskutieren.

Was lebalcony.de nicht versteht, warum manifestieren sich die Konsequenzen politisch Verantwortlicher jetzt über hunderte von Jahren Zeitreise zurück durch Abrisse von Columbus-Statuen?

 

 

 

 

 

Wir leben über 500 Jahre nach Columbus. In der Zeit hat sich die Welt durchaus zum Vorteilhafteren entwickelt. Offiziell dürfen Farbige in der westlichen Welt wählen, gleiche Restaurants, Busse, Parkbänke nutzen wie Weiße. Offiziell dürfen auch Frauen wählen und sogar Autofahren. Bei weitem ist der Status quo noch längst nicht ideal, was der Mord an George Floyd beweist. Darüber hinaus sind Rassismus und Sklavenhaltung auch tagtäglich in unseren analogen und Online-Regalen zu finden, derer sich internationale Konzerne hemmungslos bedienen.

Weil unsere „Geiz ist geil“-Fraktion  massenweise Super-Schnäppchen wichtiger sind als die Konsequenzen dieser Billig-Produktions-Bedingungen. Unsere Konsumspirale muss ja am Laufen gehalten werden. Und das eben immer wieder gerne auf Kosten anonym ausgebeuteter Kinder-Sklaven, die sich unter miserablen Arbeitsbedingungen irgendwo an einem fernen, unbekannten, anderen Ende der Welt für unsere Shopping-Gier zu Tode schuften.

Egal, dafür werden jetzt Columbus-Statuen abgerissen, wird zum Großangriff auf die Erinnerungskultur geblasen. Einem der größten Seefahrer, mit dessen Entdeckungen Generationen von Kindern groß geworden sind, wird all seiner Ehren entweiht. Am besten man wirft gleich alle Santa Maria-Model-Nachbauten auf einen riesigen Anti-Rassismus-Scheiterhaufen und fackelt sie unter lautem Gejohle mit ab. Natürlich im stylischen H&M, Zara, Mango & Co „Against Racism“ Outfit. Powered by Slavery 2020.

Auch das Columbus-Museum in Sevilla, dass eine großartig erkenntnisreiche Zusammenstellung wertvoller Reliquien über die Zusammenhänge und Entwicklung der Welt darstellt, muss unbedingt gesprengt werden. Was natürlich auch für sämtliche anderen Columbus Ehrerbietungen gelten muß.

Da machen wir auch vor der Kleinen Meerjungfrau in Kopenhagen nicht Halt und stoßen sie gleich mit vom Sockel! – das Luder. Bestimmt hatten deren Ur-Urenkel mal irgendwas mit irgendeinem dänischen Seefahrer, der bei Columbus angeheuert hat.

Wenn man will und sich ganz große Mühe gibt, findet man garantiert auch bei öffentlich geehrten, Sportlern, Künstlern, Schauspielern historische Querverbindungen ihrer Umfelder zu irgendwelchen sozial unkorrekten Zusammenhängen.

Wir können ja schon mal mit unserem Lieblings-Dichter Johann Wolfgang von Goethe anfangen. Der oder die Erste, der oder die ein rassistisch bedenkliches Goethe-Zitat in den Kommentaren zu diesem Artikel beisteuern kann, der oder die lade ich gerne auf eine Anti-Racism-Kaltschale auf meinem schönen Winterhuder Balkon ein – und widerlege das Zitat mit der Gegeninterpretation.

Statt des Columbus-Bashings sollte man mit der Verurteilung des Mörders von George Floyd ein unmissverständliches Zeichen für alle Folgetäter setzen. Gegen Rassismus und Diskriminierung wäre das von Amts wegen ein glaubwürdiges, progressives Statement nach vorne. Was sich gegebenenfalls auch noch vorteilhaft auf die Themen Kriegstreiberei, Völkermord, Konzern-Kolonialismus, Raubbau unseres Planeten auswirken könnte. Der Abriss von Denkmälern vor über 500 Jahren verstorbener Seefahrer ist nicht weiter als eine reaktionäre, zynische Farce. Um vor aktueller, eigentlicher, dringend Handlungsbedarfs notwendiger Problematik abzulenken.

 

Sam Lazay

lebalcony.de – coole Typen und Stories aus Winterhude bis darüber hinaus.