Möglicherweise könnte das Staatsarchiv Hamburg Licht ins Dunkel der Bunker-DNA im Kuhnsweg bringen.

Ist es nun ein eisenharter 2. WK-Recke aus bombensicherem Stahlbeton? Oder doch eher die 50-er Jahre Warmduscher-Variante aus Billigbeton? Ins Material reingucken kann man leider schlecht. Nur wäre es vorteilhaft, das zu klären. Denn der Unterschied der Materialien macht auch den Unterschied des Handlings eines Abrisses aus. Stahlbeton hieße Jahre, Standardbeton „nur“ Monate an Krach, Dreck und Vibrationen. Wenn man allein per Augenschein die Betonsubstanz des Original 2. WK-Bunkers in der Barmbekerstraße 183 mit der des Kuhnsweg-Bunkers vergleicht, sieht man auch ohne Bauingenieurwesen studiert zu haben, dass das zwei verschiedene Materialien sind: einmal unkaputtbarer Stahlbeton – und einmal eher Mürbeteigbeton.

Wobei ich, wie schon so oft, gerne noch mal meine kluge Frau Mama aus meinen frühen Kindheitstagen rezitiere:

„Glaub nicht alles, was man dir sagt. Überprüfe es im Zweifel besser“.

Tja, und wieder einmal könnte sie Recht behalten haben, meine liebe Mama. Geht man doch bis dato bei allen Beteiligten von Behörden- und Expertenseite bis parteipolitisch höchst sensibler Bürgerinitiative davon aus, dass der Kuhnsweg-Koloss ein Stahlbeton-Relikt düsterer NS-Zeiten ist, so hat uns mein heutiger Besuch im Staatsarchiv noch nicht unbedingt eines Besseren belehrt. Allerdings die Aussage jenes Marine-Offiziers bestärkt, der mir neulich noch glaubhaft versicherte, dass es sich dabei um einen 50-er Jahre-Bunker handelt, der zwar auf einem Göring-Fundament steht, doch erst Jahre nach Kriegsende fertig gestellt wurde, um der Bevölkerung Schutz vor der neuen „roten Gefahr“ zu suggerieren. Wie bereits in meinem letzten Bunker-Beitrag vermutet:

https://lebalcony.de/besser-ploss-als-minus/

Nach Stunden der Staatsarchiv-Online-Recherche finden sich hunderte von Bunker-Treffern zu den üblichen Verdächtigen: Heiligengeistfeld, Berliner Tor, Wendenstraße und, und, und… Mit über 700 Bunkern ist Hamburg ja nicht gerade bunkerunterversorgt. Nur: der Bunker im Kuhnsweg ist nirgends aufzufinden! Kein einziger Verweis. Null Treffer. Gibt es ihn möglicherweise gar nicht? Ist er nur Fiktion? Oder wohnt da jemand, der vielleicht einen etwas speziellen kargen Lebensstil pflegt? – dafür mit erhöhtem Sicherheitsbedürfnis. Da würden mir durchaus einige Kandidaten einfallen…

Warum ausgerechnet am Kuhnsweg 9 ein Bunkerfundament verlegt wurde? Das ist der Psychologie damaliger Herrenmenschen-Moral geschuldet. Man darf ja nicht vergessen, Deutschland hat den Zweiten Weltkrieg eröffnet! – und ist mit beeindruckender Geschwindigkeit in Polen, Ungarn, Tschechoslowakei, Dänemark,Norwegen, Luxemburg, Niederlande, Belgien, Frankreich, Jugoslawien,Griechenland einmarschiert. Um nebenbei noch ganze Teile Afrikas und der UdSSR zu annektierten. Mit Endziel: Großgermanisches Reich. Die ganze Welt sollte der NS-Herrschaft unterworfen werden. Das muss man sich einfach mal wieder vor Augen führen. Solange es mit diesem Plan gut lief, wäre keiner, auch niemand in Winterhude auf die Idee gekommen, dass es zu größerer Gegenwehr kommen könne. Bunker waren daher bis 16. Mai 1940 kein Thema.

Bis zum ersten Großbombardement Duisburgs durch die Royal Air Force hat in Deutschland keiner mit großflächigen Luftangriffen gerechnet. Bekanntlich kam dann doch alles anders als geplant. Nach den ersten zerbombten Gebäuden in deutschen Großstädten wurden die Bunker im Schnellverfahren an die Stellen zerstörter Häuser gebaut. Abgerissen werden musste da ja nichts mehr. Und die Eigentumsfrage wurde wegen des Kriegsausnahmezustandes vermutlich erst gar nicht gestellt. Es ist also davon auszugehen, dass der frühere Kohlehandel im Kuhnsweg Nr. 9 von einer Luftmine platt gemacht wurde und durch den freigeräumten Raum Platz für einen Bunkerbau geschaffen wurde. Dass es nur zur Verlegung der Bodenplatte kam, lässt vermuten, dass der Kuhnsweg 9 per Luftangriff eingeebnet wurde, als die deutsche Niederlage bereits unausweichlich sowie Mittel und Material nicht mehr allzu üppig waren. Also gegen Mitte 1944.

Und nach Ende des Krieges, wer brauchte da schon einen Bunker? Den brauchte man erst, als sich ein neues Feindbild konsolidierte: die rote Gefahr. Und so fußte der Bunker, wie so vieles nach dem Krieg, auf einem soliden Nazi-Fundament.

Für den 2. Januar habe ich heute im Staatsarchiv ein paar Kilo historischer Original-Akten bestellt, aus denen gegebenenfalls hervorgehen könnte, was es mit dem Kuhnsweg-Bunker genau auf sich hat.

Wer Lust hat, mich am 2. Januar auf der Suche nach dem Geheimnis des Kuhnsweg-Bunkers ins Staatsarchiv zu begleiten, darf sich gerne melden. Das Staatsarchiv ist ja nur eine halbe Stunde von Winterhude entfernt. Und nach vollbrachter Erkenntnis könnte man bestimmt noch irgendwo auf eine Kaltschale und oder ein lecker Häppchen einkehren. 

Sam Lazay, lebalcony.de

 

Mehr zu den Bunker-Hintergründen aus der Winterhuder Nachbarschaft:

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