Gespannt wie ein Stockholmer Flitzebogen blickt die Welt auf die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften, wo man nach allem Ungemach und den Eklats vergangener Jahre den strengen Urteilssprüchen der partiell neu ausstaffierten Jury des Literaturnobelpreises entgegenblickt.

„Wir nehmen nun wesentlich mehr das gesamte globale Bild in den Blick“, erfährt man vom Komitee der Schwedischen Akademie, zur neuen Prämisse der diesjährigen Verleihung des begehrten Literaturnobelpreises. „Es ist nötig, dass wir unsere Perspektive weiter und weiter fassen. Zuvor hatten wir eine eher – sagen wir: eurozentrische Sicht auf die Literatur; nun schauen wir überall auf der Welt“.

Sehr löblich! – sagt lebalcony.de. Obwohl die Welt dieses Jahr gerne auf einen neuen Namen gesetzt hätte und greifbare Chancen auf nachdrückliche Hervorhebung neuer Perspektiven sah.

Nur ein Wimpernschlag fehlte unserem lebalcony.de-Autor, um die Jury von „coolen Typen, Stories, Momenten aus Winterhude und überall auf der Welt“ zu enthusiasmieren. Doch wie schon der junge Nietzsche wusste: „Die Hoffnung ist der Regenbogen über dem herabstürzenden Bach des Lebens“. Um so mehr, da lebalcony.de die großen Themen des Lebens – Gott, Tod, Liebe, Eifersucht, Storytelling immer wieder neu aus Sicht des Guten und der beschleunigten Kreativität zum Vorteil und Nutzen aller näherbringt.

Glück ist machbar – warum soll’s mir besser gehen als allen anderen?“ – fragt sich der Autor zu recht und veröffentlicht auf lebalcony.de muntere, fühlbare Innovationsfrische im Brennpunkt des Zeitgeistes. Entsprechende Würdigung des aktuellen Literaturnobelpreises von Kollege Handke versteht sich da natürlich von selbst.

Hatte ich doch das große Glück einer indirekten Fast-Begegnung mit Peter Handke, dem Nobelpreisträger 2019. Es geschah im Hamburger Literaturhaus am Schwanenwik. Harald Martenstein hielt damals eine Lesung zur Vorstellung seines neuen Buches.

Eine sehr charmante Leserin von lebalcony.de, die gerade geschäftlich aus Barcelona zu Besuch in Hamburg weilte, fragte mich damals, ob ich sie nicht zu der Lesung begleiten wolle. Seit meiner Studentenzeit erfreue ich mich immer wieder gern an Martenstein als ZEIT-Kolumnist. So kann ich mich durchaus erinnern, beim Lesen seiner Erkenntnisse das eine oder andere Mal den Eindruck gehabt zu haben – cooler Typ, der Martenstein!

Also sagte ich spontan zu und blickte einem feinen Abend mit Dame bei Martenstein entgegen. Zugegeben, ich war lange nicht mehr im Literaturhaus, daher vergaß ich, dass das von mir aus quasi gleich ums Eck ist. Deshalb waren wir viel zu früh da. Egal. So nutzen wir die Chance, im Literaturcafe noch ein Glas Wein der näheren Begutachtung zu unterziehen. Wie wir beide so beim Bacchus-Segen pläuschen, tritt plötzlich ein etwas zerknitterter Herr, Typ Columbo, an unseren Tisch, entschuldigt sich, unsere Unterhaltung zu stören und gibt sich als Redakteur eines Hamburger Pressehauses zu erkennen.

Ob er mir, kurz vor der Lesung, noch ein paar Fragen stellen könne? – ließ er mich wissen, nachdem er mich sinnigerweise mit Herr Martenstein ansprach. Ok, wenn er mich für Martenstein hält, möchte ich dem Interviewer die Chance nicht verwehren, ihn mit pikanten Statements und extraordinärem Martenstein-News zu überraschen.

Edelmütig, selbstlos, ritterlich, wie ich nun mal bin, bat ich ihn, sich doch zu uns an den Tisch zu setzen. Selbstverständlich kann er mir noch ein paar Fragen vor „meiner“ Lesung stellen. Wohlgesonnen signalisierte ich ihm generös, dass es mir ein persönliches Fest wäre, seinen Wissensdurst zu stillen. Es dürfe allerdings nicht länger als zehn Minuten dauern. Weil dann müsste ich, wie er ja bestimmt wüsste, auf die Bühne, weil all die vielen Menschen schließlich gutes Geld bezahlt haben, um „mir“ bei der Vorstellung des neuen Buches zu lauschen.

„Herr Martenstein, das weiß ich sehr zu schätzen“, so der Pressemann. “Sie sind bekannt dafür, dass Sie in Ihren Kolumnen kein Thema ungeschoren lassen, Herr Martenstein. Unlängst haben Sie geschrieben, dass Sie sich benachteiligt fühlen, weil Sie keiner benachteiligten Minderheit angehören. Ist das als reine Provokation oder als tatsächlicher, persönlicher Notstand zu werten?“

Natürlich habe ich jenen Artikel in der ZEIT auch gelesen. Also lege ich eine betont besorgte soziologische Miene auf, verweile im nachdenklichen Moment des Zentrierens meiner Gedanken und gebe dem Pressevertreter zu verstehen:

„Ich sehe Licht. Am Ende des Tunnels. Doch als Nicht-Minderheit hat man es zur Zeit in Deutschland wirklich nicht leicht. Daher versuche ich mich jetzt irgendwo zwischen anthroposophischem Pöbler und radikaler Schmusebacke zu positionieren“.

„Was einem totalen Martensteinschen Gesinnungs-Turnaround entsprechen würde?“ – so mein Interviewer.

„Klar. Heute hat man auf Grund der Geschlechter-Diskussion die Wahl, aufs Mädels- Junges- oder Diversifizierten-Klo zu gehen. Und nur weil es deutlich weniger als 1% der Gesellschaft gibt, die nicht wissen, ob sie sich als Mann, Frau und/oder Mohrrübe, Meerschweinchen, Mehrzweck-Individuum, Illusion, König Ludwig-Reinkarnation fühlen, ist es cool, einem dieser exklusiven Zirkel zuzugehören.“

„Sie meinen: einfach nur männlich, Akademiker, heterosexuell, weiß – wie uncool ist das denn?“

„Ja, genau! – und dann auch noch deutsch. Das geht gar nicht.“

Es war unschwer zu bemerken, dass mir die Rolle Martenstein immer mehr Freude bereitete. Um so geknickter war ich als meine wunderbare, doch leider auch sehr gewissenhafte, aufrichtige, grundanständige Begleiterin sich in das „Interview“ einschaltete und meinte: „Sam, das kannst du jetzt echt nicht bringen!“

Worauf ich meiner Begleitung strengen Blickes erwiderte: „Schatz, für dich immer noch Harald!“

„Sie sind gar nicht Harald Martenstein?“ – fühlte sich der Zeitungsmensch sichtlich irritiert.

„Gewissermaßen schon… In dem Augenblick als Sie mich als Harald Martenstein ansprachen spürte ich den Martenstein einfach als mein ureigenes Ich in mir. Sorry“ – versuchte ich mich aus der Bedrouille zu manövrieren.

Zugegeben, richtig erfreut hat den Interviewer mein spontaner Persönlichkeitswechsel bei nachgereichter Identitätsklärung nicht, aber er fand es zumindest nicht unlustig.

Nachdem der echte Martenstein seinem Publikum einen sehr, sehr unterhaltsamen Abend bescherte, hatte ich noch die Gelegenheit mit Harald Martenstein ins Gespräch zu kommen und ihm mein Wohlgefallen zu seiner Lesung zu vermitteln. Ja, ein echt cooler Typ, der Martenstein. Da konnte ich es mir nicht nehmen lassen, ihn auf das Interview anzusprechen, das ich mir erlaubte, stellvertretend für ihn zu geben. Und Martensteins Reaktion?

Er war sichtlich amüsiert. Und meinte, genau das hätte er auch getan. Bzw., hat er bereits getan. Er wurde mal mit Peter Handke, dem jetzigen Literaturnobelpreisträger, verwechselt. Martenstein gestand mir, dass er sich gerne als vermeintlicher Peter Handke hat interviewen lassen. Und das noch viel, viel ausgiebiger als ich… Wir konstatierten, uns eines gemeinsamen Nenners zu erfreuen. Eines sehr identitätsoffenen vor allem. Oder um es mit Richard David Precht zu sagen: „Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?“ Seit der Lesung im Hamburger Literaturhaus macht mir Martenstein jedenfalls um so mehr Spaß. Und letztendlich frag’ ich mich täglich, sind wir nicht alle irgendwie Literaturnobelpreisträger – und wenn ja, wie viele?

Sam Lazay

lebalcony.de – coole Typen, Stories, literarische Momente aus Winterhude und darüber hinaus.

 

Epilog:

Ja, Bücher machen klug – und Spaß. Wer sich ganz besonders großer Werke erfreuen möchte, um damit seinem Wohnzimmer, Salon oder Büro schon rein optisch den sexy Flair von intellektueller Würde zu verleihen, dem sei empfohlen einfach mal unsere hinreißende Nachbarin und Winterhuder künstlerische Institution für Interior, Stil und Leben zu besuchen: Elisabeth Cawi in der Peter Marquard-Straße 1 – ihr Tempel besonders ausgefallener Einrichtungs-Objekte bietet eine schier unerschöpfliche Fundgrube einzigartiger Individualität.

So wie das als Buch gebundene Objekt auf den Fotos. Die rein technischen Daten: 800 Seiten. 28 x 34 x 11 cm. Bj.: 1910. Aus Oxford. Verfasst durch W.A. Craigie sowie Henry Bradley. Thema: englische Vokabeln von Q bis S. zul. GesGew.:. 5,5 kg.

Ein literarisches Schwergewicht also, das man auch problemlos zur Selbstverteidigung nutzen könnte. Oder als praktische Trittstufe in der Vorratskammer.

Falls die Arme zu kurz sind für die englischen Marmeladengläser in den oberen Regalen. Ganz automatisch jedenfalls bewirken Objekte von Elisabeth Cawi immer eine nobelpreisverdächtige Erhöhung des Lebens-Standards, Schöngeist-Levels und Kultur-Niveaus. Mindestens.