BEL-Keeper Courtois nah dran am Ball. Doch Umtiti (rechts oben nicht im Bild) noch näher, köpft FRA ins Finale. lebalcony wäre es ein persönliches Fest, sollte sich heute England ins Finale schießen.

Antoine Griezmanns Eckstoß kam, wie einzustudiert. Präzise. Dann Umtitis Schädel. Der Verteidiger mit dem schönen Vornamen Samuel adelt Frankreich als Grand Nation de Finale.

Auffällig, dass bisher 40% aller Tore dieser WM durch Standards, wie Ecken, Freistöße oder Elfer zu Buche schlugen. Im Vergleich zur letzen WM waren es nur 25%. Was lässt sich daraus schließen?

Ein überhöhtes Sicherheitsbedürfnis? Angst vor dem Neuen? Grundsätzliche Gefahr durch Veränderung? Also mehr Norm, mehr Konvention dafür weniger Forschung, weniger Experiment! Oder, wie man es im einstigen Land der Dichter und Denker sagen würde:

„Besser Standard stabil als überraschend im Spiel!“

Schade eigentlich. Ist doch Kreativität ein immer wieder begeisterndes Element in allen Disziplinen des Lebens. Wie auch in der Kommunikations-Branche: Immer wieder konventionell aus dem Schulbuch alles richtig machen, Klischees generieren, Brandings setzen. Möglichst fett. Hauptsache groß. Und dann per Penetranz-Hammer druff, druff, druff und nochmals druff auf die armen Zielgruppen… Das ist Standard.

So wie zum Beispiel leider auch die Standard-TV-Werbung von Mercedes Benz gestern in der Werbepause des Halbfinals. Nach dem Abgang von „Die Mannschaft“ noch immer Spots mit diesem ohnehin nicht einfallsreichen „Best never rest“ zu schalten, ist entweder trotzig, luschig oder einfach nur bescheuert. Deutschland „restet“ in der WM bereits seit über zwei Wochen. Trotzdem unaufhaltsam weiter zu propagieren, dass wir, die Besten, never resten, ist eine Form von Selbstironie, deren positive Wirkung man schon im Vorfeld durchaus jeglichen Erfolg absprechen dürfte. So was geht höchstens noch als grenzdebile Durchhalteparole durch. Traurig für den Erfinder des Automobils – für mich als gebürtigen Sindelfinger ebenso.

Weiß doch gerade Mercedes, wie man solche Mankos auch cool lösen kann. Wir erinnern uns: Ein harmloser Oktobertag im Jahre ’97 – als ein schwedischer Waldbewohner den gesamten Mercedes-Konzern gefährlich ins Straucheln brachte. Der „Elchtest“ sorgte für die bis dato übelste Negativ-Presse für die Marke mit dem Stern. Einziger Mercedes-Vorteil: Damals partizipierte Mercedes von einer Kreativ-Power-Kommunikations-Oase, namens Springer & Jacoby, wo ich selber in insgesamt vier prägenden Berufsjahren großartige Erkenntnisse im Kommunikations-Business sammeln durfte. Wie zum Beispiel die Lösung jenes Elch-Problems:

Mercedes fuhr an die Box, optimierte die A-Klasse mit elchfreundlichem ESP und ging mit Vollgas zurück auf den Markt. Springer & Jacoby sprintete schneller als Kylian Mbappé aufs gegnerische Tor – und heuerte den alpenfreundlichen Sachverständigen Niki Lauda an. Der machte den Test noch mal. Erfolgreich. Das ganze wurde gefilmt. Keine 24 Stunden später – wird der Spot im Fernsehen ausgestrahlt. Flankiert von einer Kampagne mit dem sehr, sehr souveränen Slogan:

„Stark, wer keine Fehler macht. Noch stärker, wer aus ihnen lernt.“

Chapeau! – so schießt man kommunikative Tore!

Kreativität kann man nicht einstudieren, nur fördern. Ohne Standards drauf zu haben, hat man als Profi ohnehin schon verloren. Doch nur noch Standard kann auch keine Lösung sein. lebalcony würde sich daher wünschen, mehr Ideen, Überraschungen, Action auf dem Spielfeld zu fördern. Vielleicht auch oder gerade durch unkonventionelle Trainingsmethoden. Aus eigener Erfahrung als Coach weiß ich, dass die Faktoren Spaß und Spontanität echte Wundermittel sein können.

Es gibt viel zu tun, wir haben vier Jahre Zeit. Bis dahin erlaubt sich lebalcony an die glorreichen Tage der vielen unbekannten Helden der Kreis-, Landes- und Verbandsliga von einst zu erinnern. lebalcony will ihnen heute das zukommen lassen, was ihnen gebührt: Respekt und Achtung für ihre herausragenden Leistungen in den Dorfarenen der Welt. Wäre unseren früheren Lokal-Gladiatoren nicht was dazwischen gekommen: Häusle, Familie, G’schäft… G’schafft hätten sie’s bis zur WM. Garantiert.

Die Würdigung unserer heimatlichen Sports-Idole für ihr unbändiges Talent ist also längst überfällig. Da die Namen der wackeren Streiter von einst nicht mehr bekannt sind, erlaubt sich lebalcony, ihre Fotos repräsentativ durch die Namen unserer aktuellen Fußballhelden zu ersetzen. Um ihnen so angemessene Vertreter samt gebührender Schlagzeile zu widmen. Durch eure tapfere Vorarbeit wurden vier Weltmeistertitel erst möglich. lebalcony hofft, dass ihr in vier Jahren ein paar mehr Schippen eurer Good old Vibes drauflegen könnt.

Zeitpunkt der damaligen Veröffentlichungen: ca. 1983 bis 1987.

Medium: Sindelfinger Zeitung.

Bildagentur: Stampe

Fotograf: Sam Lazay

Ligen: Kreis-, Bezirks-, Landesliga Baden Württemberg.

Background: Fürs Studium benötigte ich damals ein Praktikum. Da ich schon mit fünfzehn erste Karikaturen an die Sindelfinger Zeitung verkaufen durfte, konnte ich mich schon früh über erste Connections freuen, die mir später den Weg zur örtlichen Bildagentur Stampe ebneten. Mit deren Chef, Friedrich, verstand ich mich auf Anhieb prächtig. Ich hab’ sauviel von ihm gelernt, einen Mordspaß mit ihm gehabt. Und: bis heute wüsste ich, wie man mit einem Nikkor 300mm/2.8 im Dunkeln aus der Hand mit einer 1/15 Sek. fotografieren und ein gestochen scharfes Bild bekommen kann, einen Ilford HP5 auf 3200 ASA pusht, blind in der Dunkelkammer entwickelt und am Vergrößerer zu einem perfekten Bild abwedelt. Ja, Fotografieren war mal echt kompliziert. Weil ich soviel gelernt habe und weil es mir ein Riesenansporn war, selbst beim übelsten Dorfgebolze, wenigstens ein würdiges Foto zu schießen, fragte mich Friedrich, ob ich nach meinem Praktikum nicht als freier Fotograf bei ihm arbeiten wolle? Grübel, grübel… coolster Chef der Welt… Superstressiger Job, aber immer im Dienst der guten Sache… XXL-Spaßfaktor und feiner Lifestyle während des Studiums… Will sagen: ich hörte mich nicht Nein sagen. Und so habe ich mich neun Semester lang, jedes Wochenende auf Fußballplätzen, Schützenvereinen, Motocross-Weltmeisterschaften, Bürgermeister-Ehrungen, Rock-Konzerten, Sommerschlussverkäufen, Sport-Veranstaltungen jeglicher Couleur wiedergefunden: Feldhandball, Beiwagenrennen, Traktor-Pulling, Langbogenschießen… Einzig und allein Disziplinen wie „Kroaten braten“ blieb meinen englischen Kollegen der aktuellen WM-Pressefotografen vorbehalten.

Go Kane! – it’s coming home, England! Bis zum nächsten WM 2018-Beitrag – täglich kurz nach fünf – auf lebalcony,

Sam Lazay