lebalcony.de, die Orientierungshilfe für bewegende Fragen und Krisen der Zeit punktet mit coolen Typen und Stories aus Winterhude bis darüber hinaus. Mit Online-Social Distance-Grillen, Social-Distance-Dinner und vielem anderen löblich Distanzierten mehr versucht lebalcony.de seinen Beitrag zu einer optimistischen, motivierenden und Mut machenden Bewältigung der aktuellen Lebensumstände zu leisten.
Angenehmer Nebeneffekt aller Bemühungen: dabei können durchaus sehr verheißungsvolle Kontakte entstehen. So zum Beispiel mit Susanne Häußler, einer wunderbaren Hamburger Kulturagentin zur Förderung von Sportsgeist und angewandter Lebenskünste. Ausgestattet mit fundiertem Hanse-Background und gesundem Weitblick fürs Wesentliche wandte sich Susanne an lebalcony.de und bot wegen des geplanten Abrisses der Köhlbrandbrücke eine unverzichtbare, persönliche Eruierung der Straßenlage vor Ort an.
Hintergrund: Erst Februar 2020 zückten die Herren Andreas Scheuer, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, sowie der erste Bürgermeister der freien und schönen Hansestadt Hamburg, Peter Tschentscher, die Taschenrechner, um festzustellen, dass Abriss und Wiederaufbau der Köhlbrandbrücke ziemlich genau zwischen einer und drei Milliarden kosten sollte. Wirft man einen flüchtigen Blick auf die Kalkulationskünste der Operation „Elbphilharmonie“, könnte sich das plus erfahrungsgemäßer Folge- respektive unerwarteter Nebenkosten ziemlich genau verzehnfachen.
Man will sich das jetzt gar nicht ausrechnen und staunt immer wieder, wo diese außerplanmäßigen Berge von Geld dann plötzlich herkommen. Jedenfalls signierten Scheuer und Tschentscher eine gemeinsame Resolution zwischen Bund und Stadt über die Erneuerung der Hamburger Golden Gate Bridge. Demnach soll die neue Köhlbrandbrücke zur Bundesstraße aufgewertet und mit Flüssigem aus der Steuerkasse genährt werden. Grund genug vor Ort mal nachzugucken, ob das erst 1974 eingeweihte Wahrzeichen Hamburgs schon wieder abgerissen werden muss.
Die Ponte dei Quattro Capi in Rom von 62 v. Ch. wurde ja auch nicht gleich 16 v. Ch. wieder geschreddert. Weil möglicherweise nachträgliche statische Berechnungen ein neues Bauunternehmen zum Vorzug des Abrisses samt Wiederaufbaus begünstigen sollten. Die Ponte dei Quattro Capi steht heute noch. Also seit 2082 Jahren. Und das sogar in Italien!
Sollte die Elbphilharmonie nach nur 46 Jahren auch wieder platt gemacht werden, könnte man sich fragen, haben die alten Römer besser, stabiler, vorausschauender, nachhaltiger gebaut? Was machen wir falsch?
„Köhli“ ist von den 2472 Hamburger Brücken mit ihren 3618 langen und 55 hohen Metern klare Nummer Eins. Also machen wir uns auf, um uns selber einen Eindruck zu machen, ob man mit 46 wirklich schon abdanken muss.
Wir besteigen das Observations-Mobil. Check. Den Zollstock gezückt. Passt. Angemessen distanziert zündet Susanne den Boliden. Sie sieht klasse aus, trägt einen sehr coolen Style. Erst war ich ja skeptisch, ob das mal gut geht – und wollte mich sicherheitshalber, sorry: höflichkeitshalber selber als Fahrer anbieten.
Doch dann bin ich immer begeisterter, Susanne zirkelt uns souverän beschwingt durch St. Georg und St. Pauli als ob sie mit Nachnamen Hamilton heißt.
Als Seglerin und Alpin-Skifahrerin ist Susanne eine Wucht. Im Auto-Slalom aber auch.
Wir passieren die Elphi, überbrücken die Elbe auf dem Weg zur Köhlbrandbrücke. Doch wir können sie nicht finden, die Brücke. Ob man sie zwischenzeitlich wohl schon entsorgt hat? – fragen wir uns. Das Observations-Mobil hat leider kein Navi. Und da die Brücke selbst kein Ziel darstellen soll, ist „Köhlbrandbrücke“ in ganz Hamburg nirgendwo ausgeschildert.
Wer sie befahren will, brettert A, über die A 7 und verlässt sie über Anschlussstelle Waltershof. Oder B, düst umgekehrt von Hamburg Centrum über Veddeler Damm und weiter gen A 7/Flensburg. Öffis gehen natürlich auch, wie die Bus-Linie 151 zwischen Wilhelmsburg und Finkenwerder. Oder man macht es wie wir – und fragt sich mit einem schwarzen 93-er 911 einfach durch. Was gar nicht so einfach ist, dafür um so kommunikativer und lustiger. Wir lernen LKW-Fahrer der Marken IVECO, MAN, MERCEDES, VOLVO kennen. Dürfen auskunftsfreudigen Tankwarten und Taxichauffeuren begegnen. Wir erfreuen uns an Passanten aus Hamburg und ganz vielen aus Niedersachsen – weil es uns immer tiefer ins Hinterland des Hamburger Hafens bis ins Nachbar-Bundesland verschlägt.
Am allercoolsten jedoch war ein Radfahrer, der uns spontan mitteilte, wie wohl er sich in Niedersachsen fühlt und dass er in seiner Garage einen BMW ähnlichen Baujahres, wie unser Gefährt, stehen hat.
Selbstverständlich wusste er auch noch den einen oder anderen automobilen Schwank zu erzählen. Und den Weg gen Köhlbrandbrücke wusste er natürlich auch. Was uns nur wenig brachte, denn wieder verhedderten wir uns im Gewirr der Straßen und Sträßchen. Also weiter fragen, fragen fragen… Wenn’s Probleme gibt, immer reden mit den Leuten!
Noch 145 km bis zur Köhlbrandbrücke? In spätestens einer ¾ Stunde müssen wir also unser Ziel erreicht haben.
Und dann war sie endlich zu sichten: unsere stolze Hamburger Köhlbrandbrücke.
Alles scheint tadellos. Kein schwankender Überbau, keine wackeligen Pfeiler,
Die Seile alle stramm, wie die Saiten einer gut gestimmten Himmels-Harfe. Alles solide, nix lose.
Auch der Straßenbelag schmeichelt mit geschmeidiger Freude. Schaltet man allerdings zwecks Überholmanövers runter vom Dritten in den Zweiten und dreht den kernigen Boxer höher als 6000 U/min kann es passieren dass bei allzu beherztem Griff am Lenkrad die Pneus deutlich an Contenance verlieren und der Elfer im Drift den Spurwechsel vornimmt. Aber kein Problem für Frau sportliche Kulturagentin.
So lustvoll wie lässig wird gegengesteuert und der Bolide wieder abgefangen. Äußerst knackiges Drehmoment des kleinen Schwarzen sei Dank, dass man ihn auch locker mit der Hinterachse lenken kann. Kurz: der Asphalt der Köhlbrandbrücke überzeugt uns mit vorzüglichem Gripp und kultiviertem Abrollkomfort.
Für ein paar Milliarden soll das jetzt alles abgerissen und wieder aufgebaut werden. So, dass statt wie bisher 50 Meter hohe Containerschiffe künftig gar 70 Meter hohe Containerschiffe – Tiefgang nicht mitgerechnet! – unter der Brücke durchfahren und das High-Tech-Containerterminal Altenwerder anlaufen können.
Um den Markt mit noch mehr billigem China-Ramsch, Schrott-Spielzeug, Technik-Tinnef, Ex-und-hopp-Müll, Massen-Mist zu überflutet. Wäre es nicht zeitgemäßer, statt 125 H&M-Shirts lieber zwei von Omen zu kaufen. Die sehen erstens cooler aus, halten unendlich und machen echt was mit. Mode von Omen ist durchaus mit Porsche vergleichbar.
Das Modell ist jetzt 27 Jahre alt, sieht hammergeil aus, obwohl es 158.000 Kilometer auf der Uhr hat, macht es einen Spaß mit dem Teil unterwegs zu sein, dass es einem die Mundwinkel nach hinten versetzt.
Qualität und Perfektion heißen die Zauberworte solch nachhaltiger Angebotsfreuden.
Dieser Artikel beinhaltet ausschließlich reine, natürliche Leidenschaft. Hergestellt aus 100% recyclingfähigen 29 Jahren im schönen Hamburg. Gefertigt aus Original Winterhuder Optimismus. Der Artikel darf gerne geteilt werden. Und lebalcony.de freut sich über jeden Kommentar gegen das Ex-und-hopp im Alltag. Vom Pappbecher bis zur Köhlbrandbrücke.
Sam Lazay
lebalcony.de – coole Agentinnen und Stories aus Winterhude bis darüber hinaus
Und nur um den Eindruck vorzubeugen, einer speziellen Markenaffinität ausgesetzt zu sein:
Sam, wo holst Du nur den ganzen Wortwitz her?
So auf die Schnelle muß ich mich grad wieder von meinem Gelächter über
Deine Wortjonglage erholen, wie knallharte Fakten mit messerscharfer Ironie paarst.
Die Köhly müssen wir irgendwie retten, da führt kein Umweg herum.
Die ist so cool. Wir wollen sie behalten,
was sollen wir mit einem weiteren Tunnel ?
Wir sind Open-Air- Fetischisten und keine Maulwürfe !
Am besten machen wir die Besichtigungstour noch mal und statt nach dem Weg zu fragen,
den kennen wir ja jetzt, sammeln wir Unterschriften von den netten Menschen dort und geben die möglichst bald im Rathaus bei Unserem Bürgi ab.
Was hälst Du davon ?
Das ist eine gute Idee, Suse. Vorher sollten wir allerdings so viele Hamburger und auch Nichthamburger – gezahlt werden sollen die Milliarden ja aus der gesamtdeutschen Steuerkasse – überhaupt auf das Thema aufmerksam machen. Die meisten wissen mal wieder gar nicht, was ihnen da wieder bevorsteht. Dieser Artikel könnte ein Anfang sein. Muchas gracias
Hola Sam,
wunderbarer Artikel von eurer Besichtigungstour in einem schicken Auto. Dann laß uns die Petition „Pro (alte) Köhlbrandbrücke“ auf den Weg bringen!
Lieber Peter, vielen Dank für deine Unterstützung aus Berlin und dass es Menschen wie dich gibt, die Werte, Respekt und Kultur zu schätzen wissen – und sich gegen diese achtlose Ex-und-hopp-Mentalität einsetzen. Gestern gab es auf meiner facebook-Seite wegen des Artikels schon erste Sloganbekundungen wie „Viva la Köhli!“ und „V-la-Köhlbrand!“ Der Zuspruch vom Großteil unserer Mitbürger sollte uns gewiss sein. Wir unterrichten dich auf alle Fälle zum Stand der geplanten Petition. Gruß aus Hamburg Sam
Sam, falls es von Interesse sein sollte zum Thema impulsante Brücken unserer Welt .
Im Vergleich zum Alter ist ja unsere Köhlbandbrücke die Jüngste (1974).
SydneyHarbour Bridge ist 1932 eingeweiht worden,
Die Golden Gate in San Francisco 1937.
Die stehen als Nationales Denkmal und würden niemals platt gemacht werden.
Die Instandhaltungskosten sind bei allen Brücken immens hoch, noch höher als bei Gebäuden,
Das weiß jeder, sehr hohe Belastungen , Tonnen von LKW ,…donnern täglich über sie.
Keiner dieser wunderschönen Städte wäre noch die Gleiche ohne diese Wahrzeichen.
Die gilt es, unbedingt zu erhalten.
Wir bleiben am Ball, nein, an den wunderschönen Brücken und Bauwerken.
Freue mich, wenn wir vielleicht weitere Mitkämpfer über Deinen Blog bekommen.
…oder wann reißen wir den Eiffelturm ab….
Vielen Dank Susanne, stringenter und plausibler hätte man es kaum sagen können. Gerade in einer Stadt wie Hamburg gibt es neben rein rationalen eben auch immer stark emotionale Komponenten, die Kultur, Identifikation und Lebensqualität einer Stadt ausmachen. Ganz große Klasse, deine Analogie mit dem Eiffelturm. Bon Dieu! – nicht auszumalen, was da in Paris los wäre, wenn ein Bauunternehmer – oder gar HOCHTIEF – vorschlagen würde, diesen eigentlich nutzlosen Turm für ein viel effizienteres, hässliches Büro-Hochhaus platt zu machen. Ich glaub‘ dagegen wär der Sturm auf die Bastille ein laues Frühlings-Windchen.