Gutes Personal zu finden, scheint selbst für Porsche immer schwieriger zu werden. Statt sechs Boxer-Zylindern müssen es jetzt vier richten. Und wie sonst in der Wirtschaft auch, wird von den Bediensteten mehr Leistung bei weniger Flüssigem verlangt. Gegenüber dem Vorgängermodel bilanziert man im Cockpit des neuen 718-er jetzt profitable 35 PS mehr Ertrag. Bei einem knappen Budget von 1998 ccm. Inklusive 13% gekürzter Spritausschüttung für die Beschäftigten an der Kurbelwelle.
Bedenkt man, dass diese Rationalisierung einer strammen Literleistung von 150 PS/ltr. entspricht, so müssen die vier Jungs unter Tage, bzw. der Motorabdeckung, ganz schön strampeln. Aber das machen sie, wie es scheint, mit großer Freude. Drückt man das Gas im 718-er voll durch, zaubern dir 300 Caballos ein Lächeln bis hinter beide Ohren ins Gesicht, das bis zum Schreiben dieses Artikels nachhaltig bleiben soll. Dazu schmettert das Zylinder-Quartett einen Marsch, der sogar das Oktett von Sigis Corvette blass aussehen – und klipp und klar den genetischen Code 718 erkennen lässt:
Kleine Rückblende. 1958. Ein Porsche 718 gewinnt bei den 24 Stunden von Le Mans den 3. Platz. Hinter den 3 Liter-Boliden Aston Martin und Ferrari. Und das, obwohl der Porsche nur 1,6 Liter Hubraum hatte. So berichten es begeisterte Zeitzeugen der damals schon legendären Zuffenhausener Ingenieurskunst. In Le Mans seinerzeit am Steuer des 718-er: kein geringerer als mein Sindelfinger Landsmann, Hans Herrmann. Es soll tatsächlich schon andere gegeben haben, die den Deutschen Motorsport vor mir berühmt machten… Selber sollte ich ja erst ein paar Jährchen später das Licht der Welt erblicken.
Dafür darf ich heute zusammen mit meiner Nachbarin und MV-Agusta-Brutale-1099-RR-Pilotin Manuela das 2018-Model des 718-er testen. Jenen Porsche mit nur vier Töpfen. Halb soviel übrigens, wie lebalcony Blumenkübel hat. Doch das Konzept ist bei Porsche und lebalcony das gleiche: clevere Technik für maximale Lebensfreude. Beim aktuellen 718-er erlebt man, was von einem rennerfahrenen Porsche zu erwarten ist: betörendes Beschleunigungs-Pressing, chirurgische Präzision in jeder Fahrsituation samt 24 Stunden von Le Mans-Feeling. Oder besser gesagt: 24 Stunden Lust am Nicht-mehr-Aussteigen-wollen. Das eigentlich Herausragende aber sind Lenkung und Straßenlage:
Ein Gedicht, das fürs Daniederknien spricht.
Vergleicht man jene Performance zum Beispiel mit der eines komparablen Jaguar F-Types, den ich unlängst einem ausgiebigen Ausritt unterziehen durfte, so mag der F-Type zwar eindeutig mehr Royal Highness-PS-Wumms haben – und auch bei „freier Fahrt für freie Bürger“ wie British Chewing Gum auf dem alemannischen Asphalt kleben. Doch in Sachen preußischer Traktions-Drill und schlankes Idealgewicht, setzt Porsche mit dem 718-er unmissverständlich die knackigeren Akzente. Jede Kurve, ein Genuss. Auch wenn das bei Slalomfahrt durch die enorme Traktion schon ziemlich in der Nackenmuskulatur zu spüren ist. Bin sehr gespannt, ob mir meine Kragengröße 39,5 morgen noch passt.
Doch damit nicht genug: Einer der vielen Vorteile des Mittelmotor-Konzeptes des 718-er Porsche sind die beiden Kofferräume. Vorne mit 150. Hinten mit 125 Litern Ladevolumen. Das prädestiniert den 718-er noch nicht zum Baumaterial-Transporter oder Amazon-Zustellwagen. Stellt aber für den Ehevertrag mit Gütertrennung im Falle der Scheidung ein klares Plus dar: „Vorne ist dein, hinten ist mein Kofferraum, Schatz!“
Oder man bedenke die Shopping-Tour vom Hamburger Fischmarkt runter zur Maximilianstraße in München. Fährt man am selben Tag wieder zurück, empfiehlt es sich den Dorsch vorne und den Gucci-Fummel hinten zu deponieren. Bleibt man übers Wochenende, empfiehlt es sich, den Dorsch extern kühl zwischenzulagern. Für die Rückfahrt sollten allerdings 275 km/h schnell genug sein, um den Dorsch frisch und unbeschadet zum Dinner zurück nach Hamburg zu chauffieren. 718 bedeutet eben nicht nur Motorsport – sondern auch praktisches Alltags-Handling.
Und jetzt das besondere Bonbon für die ausgeprägten Frohnaturen unter den PS-Freunden: mittels dezentem Drehgriff am Lenkrad können ambitionierte Porsche-Piloten vom Komfort- in den fröhlichen Sport-Plus-Modus bzw. Sport-Plus-Beschallungs-Modus wechseln. In dem Fall wird das Fahrwerk straffer, die Gasannahme direkter, der Motor dreht beim Schalten höher und in den Endrohren öffnen sich nicht unwesentliche Schallklappen, die den Fahrspaß akustisch noch viel, viel flotter erscheinen lassen. Es erschallt ein mehr als beeindruckendes Bläser-Quartett, das die vom Sechszylinder gewohnten, zwei fehlenden Instrumente unüberhörbar entschuldigt.
Porschefahren ist eben auch Leidenschaft und Musik in den Ohren. Reine Vernunft war es noch nie. Dafür schon immer großes, Sentimental-Kino. Wenn ich ganz ehrlich sein soll, fielen mir noch diverse persönliche Porsche-Begebenheiten ein: „mein wunderbarer Patenonkel ohne Führerschein, dafür mit zwei Sekretärinnen“, „mein erster Porsche, den ich nach Oregon verkaufte“, “mein erster Porsche, den ich nie haben sollte“…
Bestimmt fallen den meisten ganz individuelle Erlebnisse ein, die das eigene Leben maßgeblich geprägt haben. Ich selber wüsste gar nicht wo ich anfangen soll… Es hinge aber garantiert mit „Grafi“, meinem famosen Jugendkumpel und Vater meines Patenkindes zusammen. Hier rechts im 1981-er Historienfoto mit einer weiteren 4-Zylinder-Boxer-Stilikone ihrer Zeit. Auch da stand ein gewisser Ferry Porsche Pate.
Mein Fazit: Der 718-er Porsche ist ganz sicher das perfekte Auto, um von Hamburg aus, schnell mal seine Eltern, Kumpels oder Patenkinder in Süddeutschland zu besuchen. Mit oder ohne Dorsch. Doch ganz bestimmt nicht über die Autobahn. Sondern über die Kurven der Landstraßen. Der 718-er ist nichts für gestresste Hektiker sondern eher was für coole Connaisseure, die zügig, aber lustvoll zum Ziel gelangen wollen.
Für den spannenden, automobilikonischen Vormittag heute – vielen Dank!
An die Porsche Niederlassung Hamburg GmbH,
das Porsche Zentrum Hamburg,
das Porsche Zentrum Hamburg Nord-West,
die Hegersport GmbH Essen,
den ADAC Lüneburg,
sowie Dominik Schraml, der mir heute eindrucksvoll bewies, ein absoluter Meister seines Faches zu sein.
Möge dieses 718-er-Erlebnis noch viele andere dazu beflügeln, mit einem 718-er eigene Automobil-Geschichte zu schreiben. Möglicherweise sogar in Le Mans.
Sam Lazay, lebalcony
Die perfekte Würdigung eines leicht „ausbrechenden“ Tages.
Vielen Dank nochmals dafür – auch an die Organistoren, Instruktoren usw.
Es war mir eine Freude 🙂
Nur die Sache mit den Pylonen müssen wir nochmal üben – vielleicht kriegen wir ja nochmal die Chance dazu 😉
Manu, zugegeben, ich tue mich schwer mit der Autorität von Pylonen. Ob links oder rechts rum, egal, es war ein Riesen-Spaß. Könnte mir heute Nacht ein feines 718-er Träumli vorstellen. Doch letztendlich ganz wichtig: die Verbindung von „deinem“ Bauer Herrmann zu „meinem“ Hans Herrmann. Hoffe. die Story hat dir Freude gemacht.
Na, da hätte ich wohl doch dein Angebot annehmen und mitkommen sollen…
als jemand den Autos null interessieren.
Allerdings, der Name „Porsche“ gefiel mir immer.
Bettina, ich wusste ja auch nicht, was da genau auf mich zukommt. Allerdings war es großartig. Es roch nach Benzin und Gummi. Porsche liebe ich jetzt noch ein bisschen mehr. Und die Story dazu hat Sau-Spaß gemacht.
Grandios geschrieben! Dein Fachwissen und Deine Lust am zügigen hochmotorisieten Vorankommen in Komination mit fangrischen Gütertrennungs-Rezepten, ist wirklch sehr plakativ gelungen. Bist ein top Testfahrer, Du routinierte Bleisocke!
Muchisimas gracias für das Kompliment Fr. Dr. Kollegin Bea. Was beweist, dass Sachen, für die man lebt und glüht, die man idealerweise liebt, glaubwürdiger und emotionaler kommuniziert werden können, als wenn sie nur rein faktisch abgehandelt werden. Ich werde heute bestimmt von Porsche-Ingenieuren, ggf. auch -Ingenieurinnen träumen, die solche Fahrerlebnisse realisieren. Herrlich war das heute. Und Manu hat den Porsche 718 übrigens schon als neuen Firmenwagen angemeldet.
Lieber Sam,
das hast Du sehr gut geschrieben.Wenn ich nicht eine kleine Tochter hätte, würde ich mir ernste Gedanken über den Erwerb des Autos machen!
Malte, das freut mich zu hören. Aber was glaubst du, wie cool das deine kleine Tochter finden würde, mit einem 718-er unterwegs zu sein…
… Und Julia, glaube ich, auch…
… du bist und bleibst ein genialer Texter! Und mit den “Jahren” wirst du immer besser 🙂
Annuschka, vielen Dank für den Lobpreis aus München, aber es macht halt mit den Jahren auch immer mehr Spaß. Und das, was die Jungs und Mädels aus Zuffenhausen da auf vier Räder stellen, ist einfach Begeisterung pur.
Toller Bericht, Wahnsinn, so ist es richtig, heiße Motoren…..weiterso lieber Sam.
Lieber Maik, danke für die Beflügelung. Zugegeben, der Motor des 718-er ist cool, doch richtig heiß sind Fahrgestell, Traktion und Kurvenspaß…
Vielen Dank für den tollen Artikel.
Es freut uns sehr, dass Ihnen unser Fahrtag so gut gefallen hat und Sie von unseren Mittelmotoren überzeugt waren. Wir hatten ebenfalls einen tollen Tag mit vielen glücklichen und erstaunten Gesichtern und freuen uns auf weitere spannende Events!
Die Porsche Zentren in Hamburg
Liebe Lisa Jungmeister, ebenfalls noch mal vielen Dank für den eindrucksvollen Tag. Und lustig, dass gestern in „Grip, das Motormagazin“ ein Porsche 718 gegen einen Jaguar F-type getestet wurde. Mit nahezu identischem Ergebnis, wie ich es nach unserem Fahrertag hier auf lebalcony.de protokollieren durfte. Quod erat demonstrandum: Porsche ist eben nicht nur Gefühlssache, sondern auch die Summe objektiver Vorteile auf der Straße. Gerne komme ich auf Ihr Angebot nach mehr Informationen zurück. Und gerne schreibe ich weitere enthusiastische Berichte.
Meisterhafte Motorenpoesie, lieber Sam. „Top Gear“ mit Geist!
Muchas gracias, compañero, wir können auch gerne mal ein feines Landrover-Feature machen. Wie du weißt, betreibe ich ja nicht nur auf dem Asphalt sondern vor allem auf dem Dirt-Track leidenschaftliches Storytelling. Ich habe es zum Beispiel mal geschafft auf Fuerteventura doch relativ lange auf den Hinterrädern eines Jeeps zu fahren. Und das auch noch rückwärts. Wie man das macht zeige ich dir gerne mal mit deinem Landrover. Zugegeben, das kann auch ins Auge gehen. Aber als grundsätzlich optimistische Gentlemen-Drivers sollte uns das nicht schrecken.
Hallo Samuel
Der Bericht zeigt mir das du immer noch Benzin im Blut hast.Weitet so.Hat mir richtig Freude gemacht.
Gruß Grafi
Grafi, so soll es sein, mein Lieber. Wir hatten eben von 50 ccm- bis in die über 3-Literklasse eine vorbildliche, höchst engagierte Kinderstube.
Lieber Sam und wenn es dich mal richtig reizt, dann kommst du mich besuchen und fährst mal mit einem mit sechs Zylindern 🙂 das Start&Fahrgeräusch alleine macht es schon wett diese zwei Herrschaften mehr unter der Haube strampeln zu haben!!
Tanja, das lass ich mich nicht zweimal fragen! Sag wann und wo! Schon bin ich da!
Und Alfrid Heger im Auto zu begleiten ist eine Wucht. Traf ihn gerade gestern 😉
Cool, Tanja, fährst du mit Heger im Porsche Super Cup? lebalcony.de stünde fürs Exklusiv-Storytelling bereit.