Winterhude. Wohlgeformten, herrlich duftenden Umständen ist es zu verdanken, dass ich gestern im Volksparkstadion eingeladen war. Ein großartiger Abend, voller Stimulanz, bewegender Momente, fantastischer Adrenalinausschüttung samt aphrodisierendem Kick sollte mir bevorstehen. Mit dabei: 52.000 von 57.000 möglichen Zuschauern des DFB Pokal Halbfinales.

Im eigentlichen Fokus der Veranstaltung jedoch: eine Leserin von lebalcony.de, die mich einem Experiment zur Beobachtung des HSVs innerhalb der Begegnung gegen den RB Leipzig unterziehen wollte.

Von Berufs wegen ist die junge Dame im internationalen, physiotherapeutischen Business unterwegs und macht sich für eine traditionelle Hamburger Company stark, die ihre Wurzeln im schönen Schwarzwald hat. Eine Kombination, die für mich als gebürtigen Süddeutschen, der seit 25 Jahren in Hamburg lebt, geradezu danach schreit, lobend erwähnt zu werden. Nach einiger Zeit des Monitorings prädestinierter Kandidaten wurde ich auserkoren, als nicht direkt fußballinfizierter Proband, Erkenntnisse möglicher Stimulanz und Empfänglichkeit zur aktuellen Lage des HSV zu liefern.

Wissenschaftliches Ziel ist es, herauszufinden, warum der einstige Dino Saurier der Bundesliga seit Jahren so schlapp in der Kurve hängt, er immer mehr Fans und generell an Bedeutung verliert. Ein super spannendes Thema, geht es doch Hand in Hand mit meinen wissenschaftlichen Untersuchungen innerhalb der Marketing-Kommunikation insbesondere zu klassischen Werbeagenturen, deren öffentliche Wahrnehmung zu Gunsten von effizienten Singleplayern und kreativen Storytellern immer mehr ins Hintertreffen gerät.

Endlich mal wieder Stadionluft zu schnuppern war für mich als ehemaligen Fußball-Fotografen nach all den Jahren ganz ehrlich toll.

 

WM 2018-Dramaturgie. Eins plus mit Sternchen*.

 

Ungewohnt nur, dass ich nicht mit meiner Nikon samt 300 mm f2.8 Objektiv am Spielfeldrand saß. Zumindest aber vorne in der dritten Reihe mit einer 300% objektiv scharfen Nike der physiotherapeutischen Industrie. Vor Einlauf der Spieler gingen wir noch mal die einzelnen Untersuchungspunkte durch. Gemessen werden sollten Euphorie, Apathie, Aggressionspotential, Liebeshormonausschüttung und weitere Gefühlsregungen.

Dann war es soweit: An der Pfeife: Dr. Felix Brych. Zum pysiotherapeutischen Hintergrund der Veranstaltung eine mehr als angemessene Besetzung. Dr. Felix eröffnet das Spiel.

 

Vorweg schon mal ein ganz besonders großes Kompliment an die beherzten Kollegen des HSV-Fanblocks, hinten im Bild: „Der Sieg ist unser!“

Nach dem infernalischen Getöse und perfekt choreographierten Moves zehntausender Supporter, schien der klare HSV-Sieg unausweichlich. Alles andere wäre bei dem Bollwerk an Positive Vibes gestern im Volksparkstadion undenkbar gewesen.

Der HSV-Fan-Slogan „Supporte, was du liebst!“ mag dabei wie die hölzerne Marktforschungs-Essenz einer internationalen Mainstream-Marketing-Agentur klingen, wirkt aber im Kern durchaus glaubwürdig. Der Chor von mindestens 10.000 schallende Kehlen auf der Nordtribüne kann da ein überzeugendes Lied davon singen.

 

Man muss, wie ich, kein erklärter Fußball-Maniac sein, trotzdem will man dass seine Stadt gewinnt. Daher galt meine Liebe nur dem HSV – zumindest für zwei mal 45 Minuten.

Ja, unsere Mannen rannten gut. Standen aber schlecht. Wie mir meine kluge Begleiterin mit viel strategischem sporttherapeutischem Know-How erklärte. Doch selbst für den Laien war erkennbar, dass die Rasenballtreter aus Leipzig das irgendwie schlauer anstellten. An Red Bull als deren Sponsor kann es allein nicht gelegen haben, dass die Flanken der Leipziger Flügel verliehen bekamen – und dort auch besser landeten.

Nach zwei Halbzeiten, einem Tor und drei Gegentoren muss ich sagen: das mit dem HSV und seiner Performance im allgemeinen hat mich jetzt nicht so stimuliert. Die Begeisterung war grundsätzlich gegeben. Frenetischer Jubel oder gar Aggressionsbekundungen blieben jedoch aus. Eigenartig. Und schwer zu verstehen, dass es eine Stadt wie Hamburg nicht schafft, eine Truppe auf den Platz zu stellen, die den Zuschauern glaubhaft vermittelt, die eigentliche Intention eines Fußballspiels verinnerlicht zu haben und demzufolge auch gezielt Tore schießen zu wollen.

Vielleicht lag es aber auch nur daran, dass sie die falschen Fußballschuhe getragen haben. lebalcony.de oder mir selber ist da kein Vorwurf zu machen, vor drei Wochen schon habe ich darauf hingewiesen, dass es im Sportartikelmarkt einen neuen Fußballschuh zu erwerben gibt, mit dem man zumindest stylisch, technisch und dribbling-mäßig schon mal auf der Gewinnerseite stehen muss.

Adidas Predator. Volle Tarnung. Grip vom Feinsten. Schick in Skills und Style.

Schade, dass der HSV den Beitrag wohl leider übersehen hat. Sport ist doch was Tolles, dass muss einem doch Spaß machen. Um so mehr, wenn man damit sein Geld verdienen kann.

Die Messergebnisse des Kicks am HSV-Kick ergaben kaum nennenswerte Regungen. Am meisten Freude bereitete mir gestern Abend meine Beauftragte der Physiotherapie, die mich zu jener Erkenntnis gewann.

„Physiotherapie“ kommt aus dem Altgriechischen: φύσις, abgeleitet Phýsio und bedeutet so viel wie Natur und Körper.

Und Θεραπεία steht für Therapie, was wiederum Dienen, Pflegen, Heilen heißt.

Eine um so interessante Betrachtungsweise, die gestrige Begegnung im Hamburger Volksparkstadion unter physiotherapeutischen Aspekten zu analysieren.

In Sachen „Dienen, Pflegen, Heilen“ sollte der HSV  der Natur des Fußballspiels, den Körpern seiner Protagonisten und auch in deren Köpfen ganz bestimmt ein paar extra Schippen nachlegen.

Zu behandeln wären natürlich die offensichtlichen Beschwerden der Funktions-, Bewegungs- und Aktivitätseinschränkungen des HSV, wie gestern gegen die Leipziger Rasenballer festgestellt.

Ganz dringend wäre hier der Einsatz von Faszienrollen zu empfehlen, um bei Ballkontakt dem Bindegewebe der HSV-Spieler eine langfristigere Bindung zum Ball zu ermöglichen.

Denkbar wären diagnostische oder auf Clinical Reasoning fundierende Therapien.

Genauso wie beflügelnde Kreativ-Coachings, zu denen sich lebalcony.de gerne anbieten würde.

 

Ohne Kopf kann selbst der fitteste Body nicht laufen.

Neben den Kompetenzen professionellen Coachings wären gegebenenfalls auch alternative Formen als ergänzende Therapie-Maßnahmen ratsam. Zum Beispiel natürliche, physikalische Reize wie die iberische Sonne, stimulierender Frost vor der Tür einer alpinen Berghütte, inspirierende Berührungen, Ausstrahlungen oder Elektrostimulationen, um koordinierte Bewegungen sowie bewusste Spiel-Wahrnehmung in die richtigen Bahnen lenken zu können.

Kurz: der HSV hat kein physisches Defizit. Sondern eher ein mentales.

Die zielorientierte Therapie des HSV muss daher klar von motivationalen und kognitiven Impulsen gesteuert sein. Themen wie „Strategische Harmonie im Spielfluss“, „Lustgewinn am Vorankommen“ oder „Mehr Kommunikation im Team“ sind hier von oberster Priorität.

Alle beteiligte Akteure müssen lernen, motorisch, wie sensorisch, das Verständnis der Funktionsweise sämtlicher Komponenten eines erfolgreichen Spieltriebes zu verinnerlichen. Und das bei gleichzeitiger Gewährleistung von Schmerzfreiheit oder zumindest deren Reduktion. Was insbesondere auch für Zuschauer und Fans einen leidenslindernden Nebeneffekt hätte. Denn: das Spiel gestern hat partiell wirklich weh getan.

 

Sam Lazay

 

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