Zugegeben, der Tonfall wird gesamtgesellschaftlich immer rauer. Wie erst jüngst zwei Fäkallyrik-Experten eindrucksvoll unter Beweis stellten und dafür am 12.04.2018 von der Deutschen Phono-Akademie sogar mit der Verleihung des Echos geehrt wurden.

Auch harmlose Winterhuder Piepmatzen gehen da voll mit dem Trend. Selbst dem Konfliktmanagement des Deutschen Werberates, unserer Dienstaufsichtsbehörde für Sitte, Anstand und soziale Verantwortung scheinen in Sachen zielgruppenübergreifendem Gangsta-Rap die Hände gebunden.

Allerdings: Unter historischen Marketingaspekten lässt das, was uns das Vögelchen hier zwitschert, gleich doppelt aufhorchen. Denn die von der Hamburger Agentur Masius in den 70-ern entsonnene Werbe-Botschaft der „Jod-S-11-Körnchen“ scheint bis heute ihre Wirkung nicht verfehlt zu haben. In Zeiten von Reizüberflutung und „Kommunikationskonfetti“ (Zitat, Reinhard Springer, Deutscher Medienkongress, 17.01.2018) verdient diese Form der Brand Awareness im Relevant Set des Endverbrauchers schon den angemessenen Respekt.

Jetzt, nach 50 Jahren Jod-S-11 lüftet lebalcony das Geheimnis, was genau hinter der Formel steckt:

Jod – Abkürzung für Jodel. S-11 – Abk. für Sonnenschein. Nach dem „S“ folgen noch 11 Buchstaben. Sprich: Jodel-Sonnenschein-Körnchen.

Als konkurrenzloses Alleinstellungsmerkmal ist Jodel-Sonnenschein-Körnchen natürlich viel zu lang. Daher entschied man sich für die Abkürzung. On top verleiht das den Körnchen auch noch diese besondere seriös-wissenschaftliche Komponente. Sehr clever.

Durch jenen brillianten Marketing-Schachzug wurde Trill sozusagen zum einzigartigen Vogelfutter mit

Jodel-Diplom für Spatzenhirne.

Anfang der 90-er, im Anschluss an die Jod-S-11-Ära, durfte ich dann bei der Hamburger BBDO an einer fast ebenso legendären Wortschöpfung teilhaben: Der General Bergfrühling ward geboren. Ein phänomenaler Bursche, der sich zwar „nur“ als profaner Haushaltsreiniger verdingt, doch dafür ebenfalls für Jodelfreuden samt strahlenden Sonnenschein in jeder Hütte sorgt. Selbst in der Stresemannstraße. Hamburgs erster Adresse für Feinstaub und Stickstoffdioxyd soll der General Bergfrühling „einen dauerhaft frischen Frühlingsduft wie in den Bergen“ verleihen. Bei einem internationalen Network wie BBDO waren natürlich auch zig internationale Chief-Overhead-Executives an jener Namensgebung beteiligt. Unter anderem ein Kollege, der sich „Weißer Riese“ nannte. Ein nicht immer unfreiwillig komischer Vogel. Was aus dem wohl geworden ist? Ganz ehrlich, keine Ahnung! Möglicherweise musste er mangels gutem Karma umschulen. Und sitzt gerade als Amsel auf meinem Balkongeländer und gibt den Gangsta-Piepa.

Sam Lazay, lebalcony