Winterhude. Montagmittag, 14. Mai 2018. Motorsägenalarm. Direkt vor dem Bunker, Kuhnsweg 9 wird überraschend ein unbescholtener, schöner, haushoher Baum inmitten seiner Baumfamilie gefällt. Laut Online-Katasteramt,

http://www.hamburg.de/strassenbaeume-online-karte/

eine Kastanie, die 1883 gepflanzt wurde. Auf dem Weg zurück von der Mittagspause frage ich einen der Holzfäller: „Warum wird der Baum weggehauen?“ „Wegen Rindenpilz!“, gibt mir der Kettensägen-Mann zu verstehen.

„Ob die Fällung wohl was mit den Bunker-Umbau/Abrissplänen zu tun haben könnte?“, wollte ich weiter wissen. „Nein, das haben schon viele gefragt. Nein, mit dem Bunker hat das nichts zu tun“, entnehme ich dem schelmischen Lächeln des freundlichen Bäume-Entsorgers.

Auch wenn der jetzt eliminierte Baum etwas älter war als ich, verbürge ich mich für ihn, dass er die letzten zwanzig Jahre stets in voller Pracht gegrünt und die Nachbarn mit Sauerstoff und seinem stolzen Antlitz erfreut hat. Kann sein, dass er einen Pilz hatte. Kann aber auch sein, dass er keinen hatte. Abgesehen davon ist nicht jeder Pilz bedrohlich und längst kein Grund zur sofortigen Fällung. Kann aber auch sein, dass er möglichem schweren Bunker-Abriss-Maschinen einfach nur im Weg stand.

Tot vorm Bunker. Kuhnsweg 9. 14.05.2018. 

Zugegeben, nach dem Busbeschleunigungs-Desaster unseres Verkehrs-Senats scheint verständliche Skepsis und kritisches Hinterfragen neuer, millionenschwerer, lokalpolitischer Entscheidungen durchaus angebracht.

Fakt ist, der Bunker gehört dem Bund und soll verkauft werden. Die Stadt hat ein Vorkaufsrecht, weiß allerdings noch nicht, ob sie es in Anspruch nimmt. Wenn ja, stellt sich die Frage, ob man den Bunker zum Wohn- bzw. Büro-Komplex oder etwas Stadtteil-Förderlichem umbaut. Was garantiert jeder Anwohner befürworten würde. Zumindest habe ich noch niemanden getroffen, mit dem ich das Thema diskutierte, der oder die es begrüßen würde, durch einen Abriss des Bunkers das gesamte Viertel für Monate, wenn nicht Jahre in einen Lärm-Feinstaub-und Erschütterungs-Erlebnispark umzuwandeln.

Man darf ja nicht vergessen, ein Bunker ist so konzipiert, dass er tonnenschweren Bombenhagel, der aus mehreren Kilometern Höhe auf ihn donnert, standhält. Bei jedweden Abrissambitionen erweisen sich die natürlichen Instinkte des Bunkers als extrem bockig. Das heißt: das gesamte Viertel bekäme ein Dezibel- und Drecks-Szenario der Extraklasse geboten, sollte versucht werden, den Bunker komplett platt zu machen.

Von den Erschütterungen des gesamten Gebäudekomplexes, der von der Semperstraße bis zur Peter Marquard-Straße reicht, ganz zu schweigen. Die Häuserzeile ist stattliche 115 Jahre alt und daher bereits etwas wackelig auf den Beinen. Von maroder Baustruktur ist da keine Rede, nur von natürlicher, altersbedingter Abnutzung. Allein bei der Sanierung der Balkongeländer in Peter Marquard-Straße 3, haben sich nur durch Schlagbohr-Vibrationen bereits der eine oder andere Mauerstein gelöst. Und die „zierlichen“ Geländer sollten keinem alliierten Bombenteppich standhalten.

Die Anwohner rund um die Forsmannstraße kriegen heute noch Schaum vorm Mund, beim Gedanken an den Abriss des dortigen Bunkers vor vier Jahren. Sollte die Stadt von ihrem Vorkaufsrecht kein Gebrauch machen und sollte der Bunker im Kuhnsweg an einen russischen, chinesischen oder Blankeneser Investor o. ä. verkauft werden, ist es so klar wie Kuhns-Klosbrühe, dass der Bunker platt gemacht wird. Allein schon die 1,30 Meter dicken Wände würden summa summarum über 5 Etagen verteilt einige zig renditeträchtige Quadratmeter mehr ergeben.

Wie beim Bunker in der Feldstraße und vor allem dem in Harburg bewiesen, sollte sich unser schönes Hamburg als kreative Stadt zeigen, und den Bunker zu etwas sinnvollerem als noch einen weiteren Luxuswohnkomplex umzuwandeln. Außerdem wäre die Nutzung der vorhandenen Baustruktur um ein vielfaches kostengünstiger als der Gesamtabriss.

Einzige vorteilhafte Nachricht zum Bunker im Kuhnsweg: Reichsmarschall und Oberbefehlshaber der Luftwaffe Hermann Göring ist es zu verdanken, dass in dem Bunker wenigstens kein Asbest verbaut wurde. Nicht aus wohlweislich gesundheitlichen Gründen sondern weil es husch, husch gehen sollte. Um so mehr wäre heute, 78 Jahre später, ein besonnener Umgang mit dem Projekt erstrebenswert. Damit nicht irgendwer auf Kosten der Bürger schnell, schnell ein paar zig Milliönchen extra scheffelt.

Über die zurückliegende und aktuelle Nutzung des Bunkers gibt es gegensätzliche Erkenntnisse. Auf einer Bürgerversammlung war man der Meinung, er stünde leer. Ein örtlicher Hausverwalter ließ mich wissen, dass darin das Stadtarchiv ist. Im Zuge der Busbeschleunigung regte ich damals an, jenen Bunker doch einfach in ein Parkhaus umzubauen – eine Idee, die ich übrigens bis heute gut fände.

In diesem Sinne: Macht euch schlau, macht euch stark!

Schließlich ist es unser Winterhude!

Sam Lazay, lebalcony