D wie Deutschland. 28. Juni 2018, Tag des Erwachens.

Ein Zustellwagen mit Warnblinker blockiert die Straße. Dahinter ein Audi-Kombi. Er hupt. Noch mal. Und dann im Dauermodus – Öööööööööööö…! Hupen ist jetzt auch keine Lösung mehr. Aber vielleicht ist der arme Huper ja per nachträglicher Schockstarre aufs Lenkrad gefallen – und bedarf ärztlicher Hilfe? Aus dem Off mosert jemand wegen des Gehupes. Kurze Hupunterbrechung. Plus Krakeelen des Hupers. Er ist also noch bei Bewusstsein oder zumindest im Wachkoma. Weiterhupen. Ansonsten betretenes Schweigen.

Ja, der Schock sitzt tief. Die Stimmung ist nicht gut im Land. Ok, ok, mit unserer Prognose gestern auf lebalcony lagen meine Kollegen und ich, zugegeben, Lichtjahre daneben. Und ich glaube mit uns mindestens 81,9 Millionen auch.

Tja, und jetzt? Nordkorea hat uns aus der WM gekickt. Oder war es Südkorea? Egal, Hauptsache irgendwelche Chinesen. (Danke, Andi Möller, für die Vorlage!) Und dann auch noch in der Vorrunde. Gegen ein asiatisches Billig- und Plagiats-Produktionsland mit weltmarktüberflutenden Technik-Produkten, dafür ohne nennenswerte Fußballhistorie, zu verlieren, tut einem viermaligen Weltmeister und Erfinder von Auto, Bier, Computer – und Fußballschuh! – natürlich besonders weh.

Europa brökelt: Italien, Niederlande sind erst gar nicht angetreten. Polen, Serbien, Deutschland raus. Frankreich, England, Spanien zittert. Einzig Portugal zeigt sich noch souverän. Die haben nicht nur das geringste Haushaltsdefizit, sondern auch das höchste Selbstbewusstsein dank Tor-und-Jubel-Walze Christiano dem Großen. Auch unsere kulturverwandten, coolen Island-Wikingerer und Crocodile Dundees mussten den Hörnerhelm bzw. Cowboyhut nehmen.

Wie geht die WM jetzt weiter? Wohin mit unserer ganzen Fußballbegeisterung? Können wir uns jetzt einfach ein neues Team suchen, dem unsere ganze, neu zur Disposition stehende Unterstützung gilt? Für lebalcony wäre das klar Spanien! Si claro, wegen persönlicher, freundschaftlicher, inspirierender, kultureller, lukullischer, beflügelnder, atmosphärischer – lebalcony könnte das jetzt noch unendlich fortsetzen – Verbundenheit.

Wie mag diese absurde WM ausgehen? Spielt im Finale möglicherweise der VfL gegen den Böblinger SV? „Jetzt bloß, nicht albern werden, das ist doch eine ganz andere Liga…“, könnte man den aufmerksamen Fußball-Flüsterer nun rufen hören. Zweifellos, das mit der Liga ist richtig, aber

möglich ist in dieser verwunderlichen WM alles…

Auch, wenn D in der WM fehlt, möchte lebalcony trotzdem weiter an die großartigen Erfolge der Kreis-, Landes- und Verbandsliga erinnern, die unsere unbekannten Helden von einst für uns und nachfolgende Nationalmannschaften erstritten haben.

Und ihnen heute zur WM 2018 das zukommen lassen, was ihnen gebührt: Respekt und Achtung für ihre herausragenden Leistungen in den Dorfstadien der Welt. Wäre unseren früheren Lokal-Fußball-Stars nicht was dazwischen gekommen: Häusle, Familie, G’schäft… G’schafft hätten sie’s bis zur WM. Garantiert.

Die Würdigung unserer lokalen Fußball-Idole für Sportsgeist und unbändiges Talent ist also längst überfällig. Da die Namen der wackeren Streiter von damals nicht mehr bekannt sind, erlaubt sich lebalcony, ihre Fotos repräsentativ durch die Namen unserer aktuellen Fußballhelden zu ersetzen. Um ihnen so angemessene Vertreter samt gebührender Schlagzeile zu widmen. Durch eure tapfere Vorarbeit wurden vier Weltmeistertitel erst möglich. lebalcony hofft, dass ihr in vier Jahren ein paar mehr Schippen eurer Good old Vibes drauflegen könnt.

Zeitpunkt der damaligen Veröffentlichungen: ca. 1983 bis 1987.

Medium: Sindelfinger Zeitung.

Bildagentur: Stampe

Fotograf: Sam Lazay

Ligen: Kreis-, Bezirks-, Landesliga Baden Württemberg.

Background: Fürs Studium benötigte ich damals ein Praktikum. Da ich schon mit fünfzehn erste Karikaturen an die Sindelfinger Zeitung verkaufen durfte, konnte ich mich schon früh über erste Connections freuen, die mir später den Weg zur örtlichen Bildagentur Stampe ebneten. Mit deren Chef, Friedrich, verstand ich mich auf Anhieb prächtig. Ich hab’ sauviel von ihm gelernt, einen Mordspaß mit ihm gehabt. Und: bis heute wüsste ich, wie man mit einem Nikkor 300mm/2.8 im Dunkeln aus der Hand mit einer 1/15 Sek. fotografieren und ein gestochen scharfes Bild bekommen kann, einen Ilford HP5 auf 3200 ASA pusht, blind in der Dunkelkammer entwickelt und am Vergrößerer zu einem perfekten Bild abwedelt. Ja, Fotografieren war mal echt kompliziert. Weil ich soviel gelernt habe und weil es mir ein Riesenansporn war, selbst beim übelsten Dorfgebolze, wenigstens ein würdiges Foto zu schießen, fragte mich Friedrich, ob ich nach meinem Praktikum nicht als freier Fotograf bei ihm arbeiten wolle? Grübel, grübel… coolster Chef der Welt… Superstressiger Job, aber megacool… XXL-Spaßfaktor und feiner Lifestyle während des Studiums… Will sagen: ich hörte mich nicht Nein sagen. Und so habe ich mich neun Semester lang, jedes Wochenende auf Fußballplätzen, Schützenvereinen, Motocross-Weltmeisterschaften, Bürgermeister-Ehrungen, Rock-Konzerten, Sommerschlussverkäufen, Sport-Veranstaltungen jeglicher Couleur wiedergefunden: Feldhandball, Beiwagenrennen, Traktor-Pulling, Langbogenschießen…

Einzig und allein Disziplinen wie Ko-Gehen in Korea blieb meinen Kollegen der aktuellen Pressefotografen vorbehalten.

Hasta luego, Freunde! – bis zum nächsten WM 2018-Beitrag – täglich kurz nach fünf – auf lebalcony,

Sam Lazay