Winterhude. Samstagmittag. Goldbekmarkt. Der Frühling lacht, die Gaumenfreuden locken. Es ist ein Treiben, Schieben, Wuseln. Hier kommt man noch mit echten Eingeborenen, sprich Nachbarn in Kontakt. Vor dem Franzosenstand treffe ich einen früheren Miteigentümer aus unserem Haus. Er erzählt mir, dass sein Sohn, wie schon seit unserem letzten Treffen, noch immer Feuerwehrmann werden möchte. Erneut bekräftige ich den edlen Plan des kühnen Sohnemannes. Feuerwehrmänner sind einfach cool.

Echte Kerle, Helden und Bereicherungen fürs Leben. Man stelle sich vor, der eigene, sechsjährige Sohn würde als Berufswunsch äußern, dass er Kredithai oder gar Versicherungs-Anwalt mit Fachgebiet „Regulierungs-Verweigerung“ werden möchte?

https://lebalcony.de/feuerwehr-hamburg/

Bis es mit dem Berufseinstieg soweit ist, hoffe ich, dass mir die beiden auch in den nächsten Jahren immer wieder regelmäßig begegnen, um im Zweifelsfall die ehrenwerten Vorsätze des Feuerwehr-Nachwuchses weiter auf Kurs halten zu können.

Wir sind hier in einer der schönsten Ecken von Hamburg, wo die Alster ihre Seitenärmchen ausbreitet und wo die Leute wie zu Zeiten Goethes Italienreise mit der Fähre übersetzen könnten. Drüben, an der Ecke Forsmannstraße herrscht wieder Gala-Pracht-Vorstellung der Winterhuder-Fleischbeschau: Nadine Geiselhart inmitten ihrer formidablen Gesellinnen und Gesellen.

Durch zwei verlockend leckere Schinkenkeulen nimmt mich Nadine ins Visir. In ihrer Hand zuckt ein imposantes Metzgermesser. Ja, der Goldbekmarkt ist immer auch ein bisschen African Queen, Fitzcarraldo, Greystoke oder Welcome to the Jungle. Nadines Klinge blitzt in der Winterhuder Mittagssonne.

Ein Anblick, der mein geistiges Auge direkt in die legendäre Bikini-Szene aus „007 jagt Dr. No“ zurück-beamt:  Sean Connery, fiel gerade aus dem Flugzeug auf eine einsame Insel und sieht sich Ursula Andress gegenüber – ebenfalls mit einem sehr, sehr großen Ess-Besteck:

https://www.youtube.com/watch?v=m3lAjyUUS1g

Ja, der Goldbekmarkt – immer wieder großes Kino. Herrlich. Ich genieße das Prickeln, mich auf die Dame hinter dem Tresen samt ihrer scharfen Anlagen einzulassen. Auch, wenn sie dir ja eigentlich nur was gegen den Hunger verkaufen will. Aber egal. Es ist eben das besondere Knistern. Dieses positiv stimulierende Gefühl der Gefahr.

Als ob mir eine wilde Löwin gefletschter Zähne in der weiten Savanne jenseits von Afrika gegenübersteht. Jäh werde ich aus meinen cineastischen Träumen gerissen: „Hallo Sam, mit was kann ich dir Freude machen?“ – meint die wilde Löwin in gewohnt cooler Stammkunden-Ansprache zu mir. Schade, denke ich mir, wo es doch gerade so spannend war…

Also wieder zurück ins Daily Business. Ich briefe Nadine zu meinen Disires of Pleasure. Nadine analysiert Customer Needs, Best Possible Offers und präsentiert just in time Strategic Planning samt Emotional Impact vom Allerfeinsten: ein extra-feines Lammkarree. Als Loyality Bonus zaubert mir Nadine mit ihrem Bowie Knife noch ein paar Lines ins Layout der Schwarte, damit sie im Ofen nicht platzt und immer schön on strategy bleibt. Ja, auch in Sachen Content-Marketing macht Nadine und ihrer Truppe keiner was vor. Ich liebe es, mit Profis zu arbeiten.

Ein zartes Lämmchen sollte mich also glücklich machen. Und wie es das gemacht hat. Zu meinem ganz großen Glück treffe ich auf dem Goldbekmarkt vorher noch Ralph Larouette und Bettina Hagen. Zwei ausgesprochene Connaisseure der Hamburger Gastronomie-Szene.

Er am Herd. Sie am Teller. Ralph fragt mich, was ich koche? Bettina, wen ich bekoche? Nach Klärung aller Details, erhalte ich von Ralph noch wertvolle Anregungen zur kulinarischen Verfeinerung. Was ich von einer Hanseatischen Küchen-Koryphäe natürlich liebend gerne annehme.

So gab es neben geschmacklich flankierender Unterstützung von fleißigen, schwäbischen Bienchen und deren wunderbarem Killesberger Blütennektar noch einen gehörigen Klacks scharfen Senf obendrauf. Woraus ich dem Karree zusammen mit Thymian, Piri-Piri, Knobi und grobem Meersalz ein verheißungsvolles Honig-Senf-Mäntelchen bereitete.

Nach dem ich das Karree in der gusseisernen Pfanne extra scharf angebraten und bei 160 Grad noch 30 Minuten im Ofen habe schmoren lassen, offenbart sich ein duftender Augenschmaus. Zum reinlegen – zum reinbeißen – ober-über-lecker.

Ich versuche mich zu zügeln, um dem feierlichen Moment seine angemessene Würde zu geben. Nadines Freuden-Versprechen erfüllen sich mehr als überproportional. Dazu goldbraune Ofenkartoffeln, gedünstete Schalotten sowie wohl akzentuierte frische Erbsen. Und einen geschmeidigen Rioja.

Ich freu’ mich schon auf nächsten Samstag

Sam Lazay

lebalcony.de – coole Typen, Stories, Momente. Aus Winterhude. Und darüber hinaus.