Darf man den Berichten der Welt, des Spiegels sowie unzähliger anderer Nachrichtenmagazine Glauben schenken,
so werden für unsere Lifestyle-Akku-Technologien in Smartphones, Laptops, Tablets und insbesondere Elektro-Autos jährlich weltweit 124.000 Tonnen Kobalt gefördert und benötigt. Tendenz steigend. Knapp Dreiviertel davon kommen aus dem Kongo. Schließlich ist der Kongo eines der reichsten Länder der Welt. Was Rohstoffe angeht. Ausgleichender Gegenpol: die Spitzenposition in der Bevölkerungs-Armut. Ein praktischer, wie effizienter Umstand. Zumindest für milliardenschwere Unternehmen, um wieder auf guten, alten Kolonialismus zu bauen und damit bewährte, rentable Beschäftigungs-Modelle neu aufblühen zu lassen: Kinderarbeit zum Beispiel.
Bongo Ambosolombo (12) würde gerne Matthieu André Lefèbvre oder Flaminio Bertoni heißen – und in Frankreich für Citroën neue, schnittige Autotypen entwickeln.
Große Kulturfrage: Was kommt nach sexy PS, windschnittigen Mädels und 007?
Doch statt dessen heißt er nun mal Bongo Ambosolombo. Dafür darf er als Zwangsarbeiter in einer Kobalt-Mine im Kongo auf eine fundierte Berufserfahrung zurückblicken, in der er täglich neue Überlebensstrategien entwickelte, um sein Schicksal als Rohstoff-Förderer für unseren Lebensstil zu überstehen. Stehen kann Bongo Ambosolombo nach über einem Jahr in der Kobalt-Mine heute nur noch auf einem Bein. Nachdem er im glitschigen, ungesicherten Schacht abstürzte, mehrere andere Kinder mit sich riss, zertrümmerte er sich beim Aufprall diverse Male Unter- und Oberschenkel seines anderen Beins. So drastisch, dass der Minen-Aufseher entschied, Bongo erstmal aus dem Förder-Programm zu nehmen.
Aber wenigstens gab es in Bongos Dorf einen versierten Medizinmann. Der wiederum entschied nach Rücksprache mit dem örtlichen Voodoo-Sachverständigen, Bongos Bein der Einfachheit halber besser gleich abzunehmen. Hygiene, operative Expertise, rehabilitative Praxis: 100% Fehlanzeige. Aber egal, was ab muss, muss ab. Irgendwie. Blöd nur für Bongo.
Denn mit nur einem Bein verdient er statt einem ganzen Dollar am Tag gar keinen Dollar am Tag. Weitere Karriereaussichten in anderen Kobalt-Minen der Konkurrenz gleich null. Also schulte Bongo um. Auf Automobil-Designer.
Und auch wenn Bongo in der Mine abstürzte, ist er keineswegs auf den Kopf gefallen. Sein Französisch mag nicht unbedingt auf Voltaire-Niveau sein, aber er weiß, dass man einst in Paris Javel eine Auto-Legende schuf, der noch heute vollumfänglich gehuldigt wird. Daher setzte Bongo seine drei verbliebennen Gliedmaßen ein, um aus weggeworfenen Konsummüll-Blechdosen und als Reminiszenz an eine unserer größten Automobil-Ikonen neues Leben zu schmieden und dabei sogar an das charakteristische Ein-Speichen-Lenkrad zu erinnern:
Citroën DS – jetzt auch als Göttin des Recyclings.
Als zweitgrößter Kontinent unseres Planeten ist Afrika eine recht weitläufiges Areal. Allein Bongos Heimat Kongo hat im Vergleich zu Deutschland eine über 6 ½ mal größere Fläche. Wie es Bongo nach Ende seiner Karriere in der Kobalt-Branche bis nach Südafrika geschafft hat, wo er heute seine handgeschmiedeten Citroën DS auf einem Recycling-Markt in Kapstadt anbietet, ist nicht näher bekannt.
Der Mensch wusste sich als Spezies allerdings schon immer mit viel „Man-weiß-nicht-genau-wie-aber-irgendwie-geht’s-schon“ zu helfen. Und das nicht nur in Afrika. Auch bei uns.
Wie schnell und easy man zum Beispiel auch in Deutschland aus einem riesigen Umwelt-Desaster eine zwergenhafte Rand-Erscheinung macht, bewies erst vor Kurzem Kanzlerkandidatin Annalena. In einem Fernseh-Interview machte sie aus dem heiklen Kobalt einfach einen schnuckeligen Kobold. Das ist, zugegeben, erstmal lustig, und kann als möglicher Versprecher ja durchaus mal passieren. Doch nur wenige, auch sonst inhaltsleere Sätze später gleitet es der Kanzlerkandidatin erneut über die Lippen: der Kobold. Ohne mit der Wimper zu zucken ging’s weiter im Kobold-Text.
Jetzt könnten geneigte Zuhörer*innen meinen, dass die Grünen*innen Umwelt-Probleme innen– wie außen-politisch einfach locker per nächster Sprach-Umgestaltung lösen werden.
In diesem Sinne: Aus Raider wurde Twix – sonst änderte sich nix. Daher: Kobalt becomes Kobold! Und Plastikmüll becomes Pumuckl!
Yeah! Ja, ich war mal begeisterter Grünen-Wähler und Förderer der ersten Stunde. Selber habe ich mich stets für Natur- und Umweltschutz stark gemacht. Heute mache ich das noch immer.
Pamela & Claas. Zwei Supertypen räumen auf. Unser Winterhude.
Zur Entwicklung der Grünen und dem Hype um Frau Baerbock kann ich allerdings nur noch den Kopf schütteln. Auch verstehe ich es nicht, warum der doppelt geschlechtsdiskriminierende Name Baerbock nicht längst per Gender-Style umgewandelt wurde: Baer*innen-Lämmchen hört sich doch gleich viel sympathischer, volksnäher und geschlechtsidentifikatorischer an. Parteipolitisch konsequent wäre es auch.
Doch zurück zu unserem wahren Helden Bongo Ambosolombo und seinen Recycling-Göttinnen.
Die Begebenheit um ihn und seinen hanggeschmiedeten Citroën DS erzählte mir vor ein paar Tagen eine engagierte Leserin von lebalcony.de. 2013 war sie auf Kulturreisen in Afrika und lernte dort Bongo, seine Leidenschaft, sein Lächeln und seinen beeindruckenden Überlebenswillen kennen. Statt 35 South African Rand, was ungefähr zwei Euro entspricht, zahlte sie ihm 150 South African Rand für eines seiner Meisterwerke. Vom Original wurden in der Zeit vom 4. Oktober 1955 bis zum 24. April 1975 insgesamt 1.456.115 Citroën DS gebaut.
Sollte Bongo wenigstens ein halbes Promille davon als Recycling-Replika an Lifestyle-Akku-User und Afrika-Besucher verkaufen, wäre das für seinen Absturz in der Kobalt-Mine und sein Leid und Leibesschwund kein Ausgleich – aber zumindest eine minimale Entschädigung. Also, wenn ihr mal in Kapstadt seid, fragt nach Bongo Ambosolombo – und kauft ihm einen seiner DS ab! – der verleiht jedem Wohn-Ambiente die besondere Zeitgeist-Komponente.
Als Periskop für coole Karosserie-Designer und Neu-Orientierungen aus Winterhude bis darüber hinaus – und anlässlich der vielen, aktuellen, globalen Problematiken empfindet es lebalcony.de für mehr als angemessen, aus Bongo eine Story zu machen.
Und wer weiß, vielleicht regt die Geschichte ja an, nie den Mut aufzugeben, immer Alternativen im Auge zu behalten, nicht alles blind hinzunehmen, sondern Gegebenheiten auch zu hinterfragen und nicht bloß nur jammern – oder labern. Sondern, soweit es geht, die Dinge selber in die Hand zu nehmen.
Sam Lazay
lebalcony.de – coole Typen und Stories aus Winterhude bis darüber hinaus
Citroen versus Volkswagen
Da kann lebalcony.de doch nur mit einem herzlichen „Amor est pretiosior auro“ erwidern.
Sam, super-klasse!!!
Wir sollten alle mehr darüber nachdenken, was wir auf diesem schönen Planeten so treiben.
Können wir mit gutem Gewissen mit mega-teuren E- Autos durch die Gegend düsen, und unsere Augen davor verschließen, wer dafür verheizt wird ???
Nämlich Kinder ??? !!!
Zumal über die Entsorgung der hochgiftigen Batterien auch noch nicht so richtig Klarheit herrscht.
Das Thema der E-Automobilität ist noch gar nicht zu Ende gedacht.
Wir machen weiter so, bin dabei.
Susanne, vielen Dank für deine Unterstützung. Meinen Recherchen nach arbeiten die Kinder – oft auf dem Rücken liegend – in klaustrophobischer Enge unter der Erde. Die eigenhändig gebuddelten Schächte sind bis zu 70 Meter tief. Tödliche Unfälle sind Alltag. Die Kiddies brauchen Glück, um da lebendig wieder rauszukommen. Wie viele kein Glück haben und in der Tiefe sterben, weiß niemand genau. Doch das Risiko schreckt kaum einen ab. Von was sollen sie auch leben, wenn die Profitgier-gesteuerten Konzerne die Arbeits-Bedingungen diktieren? Verzweifelte Alternative ist dann höchstens, sich per illegalem Schleuser auf einem Kamikaze-Flüchtlings-Schlepper nach Europa verschiffen zu lassen. Oder auch nicht – falls das Boot auf hoher See, hunderte Kilometer vor ihrem Ziel kentert – und alle wie die Ratten ersaufen. Schaffen sie es doch, will sie in Europa auch keiner haben. Warum also kann man mit den Leuten in ihrer Heimat nicht eine faires Miteinander vereinbaren, dass sie einfach zu Hause bleiben und dort auch überleben können. Westliche Technologie im Einklang mit afrikanischer Man-Power zu angemessenen Löhnen. Und keine gnadenlose Ausbeutung, damit die ohnehin schon reichen Konzerne noch, noch, noch reicher werden… Schon wäre das ganze Problem gelöst.
Ja, genau so. Wenn die Menschen guten, fairen Lohn in ihrer Heimat hätten, wäre das ein Grund weniger, nach Europa zu flüchten. Daran muß gearbeitet werden. Wenn die Lebens- und Arbeitsbedingungen im eigenen Land besser wären, würden auch nicht so viele nach einer neuen Heimat suchen. Entwicklungshilfe ist schon lange nicht die richtige Lösung.
Gib den Menschen das richtige Handwerkzeug zum Arbeiten, können sie auch auf eigenen Beinen stehen. Es gibt noch so viel zu tun.
Also packen wir’s an! Dieser Artikel ist auf alle Fälle schon mal ein Anfang. Muchas gracias Señora Häußler. Buenas noches y hasta nuestra proxima cita
Silizium, Coltan, Zinn – weitere Rohstoffe für Handies & Co, die rund um den Globus in meist ärmeren Ländern abgebaut werden. Aber der Kobalt-Abbau ist einer der Brutalsten. Toller, fieser Artikel, der mir meine Gedankenlosigkeit vor Augen führt. Wobei ich meine Geräte nutze, bis sie kaputt gehen. Oder es wirklich keine Updates mehr gibt. Aber trotzdem. Der Hang unserer Wohlstandsgesellschaft zum Augen zu machen ist beschämend. Ich beziehe mich da durchaus mit ein.
Liebe Bea, das ist mal wieder sehr trefflich ausgedrückt. Ich denke, du hast damit vollkommen recht. Gerne werfe ich es nochmal in die Waagschale, dass auch ich als zertifizierter PS-Maniac bestimmt seit 20 Jahren kein eigenes Auto mehr fahre. Dafür aber in den letzten Jahren mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren jede Menge Spaß und Kilometer besonders in Spanien, Italien und Afrika erfahren durfte. Dem blinden Vertrauen an den Fortschritt und bedingungslosem Glauben an neue Techniken mit üppigem Potential zum Schuss nach hinten, sollte man viel kritischer gegenüberstehen.