Hhhmmm? – heute am 29. Tag der Deutschen Eintracht vernehmen wir eher wohl artikuliertes Stottern als sattes Drehmoment.
Zugegeben, das Foto ist zwar von 1991, doch gefühlter 2019-Zeitgeist-Empfindung kann es sich ebenso wenig erwehren. Ich schoß das Foto 1991 in einem Dresdener Hinterhof als ich von der Agentur Scholz & Friends Dresden als freier Texter gebucht war und mir dort auch ein Bild über die Lage vor Ort machen wollte. „Gänsefleisch kommen!“ lautete damals die Parole von Scholz & Friends Dresden, um ein Jahr nach der Wende bei West-Abenteurern für gewagte Ost-Missionen zu werben.
Heute, unwesentliche 28 Jahre später klingelt eine meiner wunderbaren Nachbarinnen bei mir, um mir den Solidaritätsbeitrag, den ich gestern für sie in einem Laden unserer Nachbarschaft auslegte, zurückzuzahlen. Da unsere House-Community bekanntlich von äußerst kommunikativem Naturell ist, nutzen wir die Gelegenheit, um soziologische Ost/West-Wahrnehmungen, Willy Brandts damalige Wachstumsprognose samt unserer persönlichen, gesellschaftlichen Sensorenauswertung zu eruieren.
Schon die Quote macht deutlich, wie’s ausschaut mit der Einheit. Zwei Wessis, einmal geboren in Sindelfingen, einmal in Hamburg. Repräsentantinnen oder Repräsentanten aus Ost schienen kurzfristig nicht abrufbar. Macht eine Wessi-Quote von 100%. Dafür gönnten wir uns auch ein feines Tannenzäpfle sowie einen US-imperialistisch geprägten Koffein-Drink, um unsere Gedanken zum Tag der offiziellen Deutschen Wiederzusammenkunft auszutauschen.
Fast deckungsgleich gelangten wir zu der Feststellung, dass sich nach der Grenzöffnung in Deutschland einiges geändert hat. Aus war’s erst mal mit „Freier Fahrt für freie Bürger“. Millionen nicht tempo-effizient geschulte Arbeiter- und Bauern-Fahrer verstopften mit nicht konkurrenzfähigem, volkseigenem, unwertem, aber trotzdem fahrbarem Material unsere schönen, damals freien und offenherzigen Autobahnen.
Rückwirkend betrachtet muss man es natürlich moralisch gut heißen, dass das ganze Ostblock-Gefängnis aufgelöst wurde – und zig Millionen schuldlos mit 41 Jahren Spaß- und Freiheitsentzug gestrafte Bürger nun hopplahopp freigelassen und teilweise unbeaufsichtigt in den Westen ausgewildert wurden. Noch etwas sollte sich speziell für unsere westdeutsche, autoverwöhnte Jugend ändern. Als ich 17 war, sollte mein erstes Auto ein Mini Cooper sein. In British Racing Green. Mit einem durchs Fahrerseitenfenster verlegten Hand-Gaszug sowie weiterer, diverser, wunderbar englischer Macken.
Dafür war der Preis um so interessanter: Geschenkt! Eine Freundin meiner Mutter meinte, ob ich als versierter Bastler und baldiger Führerschein-Neuling mit dem TÜV-losen, dafür von der Queen gesegneten Teil nicht noch was anzufangen wüsste. Ich wusste. Allerdings ohne vorher das provisorische Hand-Gas repariert zu haben. Die Lust spontaner Freiheitserfahrung im Hier und Jetzt war einfach größer. Mangels Fahrpraxis und meiner trotzdem ungestümen Paris-Dakar-Ambitionen fand der hanggasgesteuerte Mini an einer soliden Sindelfinger Eiche des Eichholzer Täles leider sein jähes Ende.
Dass man Autos für’n Appel und’n Ei bekam, war für uns damals normal. Was sich jedoch schlagartig änderte, als Millionen Wagenlenker aus dem Osten den Markt überfluteten – gierig nach allem waren, was mehr PS als ein Trabbi hatte. Und das war, vom Rasenmäher angefangen, eigentlich alles. Die Nachfrage nach jeglichem Fahrbaren explodierte. Was auf Seiten derer mit den Angeboten die Verlockung auslöste, eigentlich tot geweihte Schrottkübel für etliche fröhliche Scheine mehr an die Zielgruppe unsere begierigen, neuen Bundes-Konsumenten zu vertickern. Ja, so isser halt, der Kapitalismus.
Das wussten auch schon die Influencer Marx und Engels, Copyright Owners des Communism, kurz: com. Woraus sie ursprünglich eine echt coole gesellschaftstheoretische Vision schneiderten – basierend auf der Idee sozialer Gleichheit samt Freiheit und Mini Cooper zum Gemeinwohl aller. Grundsätzlich kein schlechter Gedanke. Nur leider sträflich fehlinterpretiert und mangels qualifiziertem Personal zum Scheitern verurteilt.
Statt dessen krempelten repressive Bürokratie-Ideologen mit Lizenz zum Schießbefehl unser halbes Land der Dichter und Denker zur spaßbefreiten Zone um, verurteilen ihre Bürgern zu kollektivem Lebenslänglich und lächeln dabei debil über die Mauer, wie böse der Westen – und wie schön es doch im Zuchthaus sei.
Einziger Vorteil dieser Ära, die James Bond-Abenteuer waren damals eindeutig cooler. Pfüi Deifi, hat uns das immer angewidert, als Kinder und Jugendliche mit den Eltern rüber in die Ostzone fahren zu müssen, um Oma, Opa, Tanten und Onkels zu besuchen. Dieser ganzen, vollkommen idiotischen Grenz-Kontroll-Schikanen. Man macht sich aus sozialer Verantwortung auf, ins Revier der Bedürftigen und Mittellosen zu fahren, hat den Kofferraum voll mit Geschenken, Kaffee, Schokolade, Bananen, Nylon-Strumpfhosen – und wird beim Grenzübertritt von maschinenpistolen-bewaffneten Grenz-Dumpfbacken behandelt, wie ein Schwerstkrimineller, der jene „ruhmreiche Republik“ der Misswirtschaft mit Rock ’n’ Roll, Jeans und Marlboro subversiv zu unterwandern versucht.
Ja, so war das. Und dann diese dämliche Berliner Mauer – bis heute das Synonym staatlich verordneten Wahnsinns schlechthin. 41 Jahre lang. Ein kaputtes System, fernab jeglicher nachvollziehbarer Sinnhaftigkeit. Das prägt. Hinterlässt tiefe Gräben, unschöne Krater in der Hirnrinde. Ich frage mich wirklich, wie Menschen, die sich auf das Wohl der Gemeinschaft berufen, solch legitimierte menschenverachtende Perversionen auszuleben, sein gesamtes Volk wie selbstverständlich einzusperren und qua Gesetz anders Denkende, nicht systemkonforme Freigeister einfach lustig zu erschießen, wenn sie sich über die Grenzlinie wagen sollten. Was für ein durchgeknallter Scheiß ist das denn?
Betrachtet man das Credo der Lieblings-Universität meiner Heimat, der Eberhard Karls Universität in Tübingen wird man schon seit 1477 am Hauptportal mit einer Losung begrüßt, das es anzustreben gilt: Attempto – ich wage es! So was ist cool. So was kann die Leute mitreißen.
Wage es! – eine Erfahrung, die ich akademisch nur teilen kann:
Man darf ja nicht vergessen, dass es zu Zeiten der DDR-In-volkseigene-Betriebnahme durchaus schon sehr, sehr viele kluge, aufgeklärte Geister in Deutschland, Europa, Russland, vereinzelt sogar in den USA gegeben hat, die sich weltweit für ein besseres Miteinander der Menschen und Völker untereinander stark machten. Das wurde offen kommuniziert, konnte man überall lesen, war quasi in aller Munde.
Wenn man sein Dasein nicht in irgendeinem Pommerschen Erdloch im Walde fristete. Im Wesentlichen könnte man Voltaire, Montesquieu, John Locke, David Hume und andere clevere Trendsetter und Lifestyler als verantwortlich für die ansonsten positive Menschheitsentwicklung bezeichnen. Die Marx- und Engels-Brothers gehörten ganz sicher auch dazu.
Zehn Jahre nach Geburt unseres unrühmlichen DDR-Nachbarn, bewiesen 1959 zwei aufrechte Demokraten 9000 Kilometer weiter südwestlich dass man das mit dem Kommunismus auch anders interpretieren und gestalten kann. Gelang es doch den beiden wackeren Streitern den damaligen unpopulären, uncoolen, um so korrupteren kubanischen Diktator Batista im Sinne eines besseren Cubas zu überzeugen, das Feld zu räumen und seine Diktatorenhaut fortan im spanischen Exil an der Costa de Sol zu sonnen. Somit war der Weg frei ab 1961 in Cuba ein neues sozialistisches Model zu proben. Damit einhergehende Enteignungen von US-Firmen und -Bürgern führten zum dauerhaften Embargo der Supermacht USA und weiterer ihrer westlichen Verbündeter gegen Kuba. Jahrzehntelange Bemühungen von CIA, FBI und der bewährt paramilitärisch ambitionierten United Fruit Company, heute Chiquita Brands International taten ihr übriges, um dem Model Cuba die Weiterentwicklung so schwer wie möglich zu machen.
Man bedenke, dass die USA dem fidelen Fidel mehrfach nach dem Leben trachteten. Kill Fidel! – und es dann nicht mal hinbekommen zu haben – kein rühmlicher Zug unter den sonst so smarten Amerikanern. So gesehen ist es beachtlich, wie lange es Cuba trotz der internationalen Drangsalierungen durch die USA ausgehalten hat.
Und zu Willy Brandts Wachstumsprognose: Eher viel Rauch um wenig. Da wuchs nicht viel zusammen, was zusammengehört. Außer vielleicht der SPD-Kuschelpolitik. Und Porsches Panamera und Macan – getreu der Leipziger Devise: wir schrauben zusammen, was zusammen gehört. Wobei ich allerdings auch kein Problem hätte, wenn Porsche bei seinen Wurzeln bleibt und anstatt Familienschaukeln und Eppendorfer Mutti-SUVs sich weiter auf die Kompetenz kerniger Renn- und Sportwagen konzentriert:
Daher Freunde, seid achtsam, lasst euch eurer Freiheit und Vorfahrt nicht beschneiden. Da will der aufrechte Demokrat auch keine NSA-Bespitzelungen, GEZ-Schutzgeld-Erpressungen und EU-Markregulierungen haben, die am gesunden Verstand und Rechtsempfinden zweifeln lassen.
41 Jahre DDR sind und waren genug.
Sam Lazay
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