Hamburg, Winterhude. Direct Marketing – der Trend geht Richtung old school-Brieftaube. Manchmal will die Tücke im Detail stecken. Und das so unergründlich wie beharrlich. Wie zum Beispiel in der E-Mail-Kommunikation zu einem meiner großartigen Münchner Kontakte. Meine Mails wollen einfach nicht ihr Ziel erreichen. Verwundertes Kopfschütteln in Bayern. Schulterzucken bei meinen Digital-Experten in der Hansestadt. Selbst medientechnisch top-geschulte Familienangehörige des bajuwarischen Mail-Empfängers konnten weder helfen, noch erklären, warum meine Mails einfach nicht ankamen.
Möglicherweise ist meine Korrespondenz im immer dichteren werdenden medialen Rauschen untergegangen. Gegebenenfalls wurden sie von schwarzen Löchern verschluckt. Wir hatten keine Erklärung. Also, was tun? Ich besann mich eines jahrtausendealten Kommunikationstricks, der eigentlich immer funktioniert. Und der geht so: Abends in der Schreibstube erstmal Kerzen anzünden – Plopp! – einen guten Roten aufgemacht, Superfly.fm aus Wien hören, Schreibblock samt Griffel gezückt – und auf, auf ans Werk! – der digitalen Kommunikation ein analoges Schnippchen zu schlagen. Und einen handschriftlichen Brief verfassen! Schließlich kämpfen alle Kommunikationstreibenden im Dauerfeuer um eine biologisch immer mehr verknappte Ressource: unsere Aufmerksamkeit.
Nach zig Jahren in der Medienbranche setzte sich bei mir die Erkenntnis durch, dass das menschliche Unterbewusstsein seinen Dienst gleich einer Firewall verrichtet: nur ein Bruchteil aller Sinneserscheinungen erreicht auch das entsprechende Wahrnehmungszentrum. In der Konsequenz heißt das: Wer nicht untergehen will im täglichen Reiz-Tsunami, muss sich was einfallen lassen – und sollte die Regungen des Menschen nachvollziehen können, die nicht immer rational begründet sind.
Wie schafft man es also ins Bewusstsein seiner Zielpersonen zu gelangen?
Besonders substanziellen Botschaften, die für heutige Zeiten als außergewöhnlich wahrgenommen werden, könnten die Lösung sein. Hilfreich wäre auch, entsprechende Wertigkeit zu vermitteln. Denn das Unterbewusstsein bewertet automatisch immer auch Originalität und wahrgenommenen Aufwand, den der Absender investiert hat. Auch wenn es bei aller digitalen Progression möglicherweise unzeitgemäß wirken mag:
Ein handgeschriebener Brief könnte beim Empfänger genau das vermitteln. Offline, old school zu kommunizieren könnte eine Chance bieten, sich positiv abzuheben, aufzufallen in der Lawine der Massenbotschaften. Ein handschriftlicher Brief sollte Wertschätzung vermitteln. Automatisch könnte ihm dadurch ein höherer Stellenwert beigemessen werden, als einer Mail im Umfeld des Massen-Spams. Ein in Handarbeit auf hochwertigem Papier erstellter Brief, der persönlich kalligraphisch adressiert wurde, kann wohl kaum einfach ungelesen weggeworfen werden. Selbst etwaigen technischen Tücken der Hightech-Logistik könnte ein klassisch zugestellter Brief trotzig die Stirn bieten.
Wir werden sehen.
Die Brieftaube ist seit heute 14:00 Uhr auf dem Weg gen Süden der Republik. Ich traf sie gegenüber meiner früheren Adresse in der Papenhuderstraße 24. Besonderen Dank auch dem unbekannten Künstler für die reminiszierende Hommage meiner vielen, schönen, dort gelebten Jahre.
Und selbstverständlich wollen wir uns die Chance nicht nehmen lassen, gewonnene Kommunikations-Erkenntnisse auch digital zu würdigen.
Denn Liebe ist, wie auch sonst im Leben, der Anfang von allem. Wie im Fokus diese hübschen, nicht Namen nennenden, möglicherweise Persönlichkeitsrechte verletzenden Impression zu vollbrachtem Werk der vier handschriftlichen Seiten ersichtlich. Ich gebe zu, mangels Training, in der rechten Hand einen leichten Muskelkater vom vielen Schreiben per Federhalter zu verspüren.
Sam Lazay
lebalcony.de – coole Typen und Stories aus Winterhude bis darüber hinaus.
Und noch ein kleiner Link mit dem Zaunpfahl:
Ja genau so soll es sein …..einen Brief verschicken- wie früher in der guten, alten Zeit, wo die Welt noch in Ordnung war.
Früher hatte man sich Zeit genommen, genau überlegt was bringe ich aufs Papier.
Ja, so war das …..
Vielleicht kommt ja wieder der Wandel zurück in die richtigen Werte, zurück zur Besinnung mit dem Ziel sich Gedanken zu machen, worauf es wirklich ankommt!
Klasse Beitrag….
Danke, Maik, und abgesehen davon macht es auch Spaß, sich ganz bewusst die Zeit zu nehmen, besonderen Menschen, besondere Aufmerksamkeit zu erweisen. Das ist wie mit dem Essen. Zwischendurch mal ’n Wurst oder ’n Döner, wie schnelle Facebook- oder Instagram-Snacks, ist schon ok. Aber schön zelebrierte, große Tafelrunden mit guten Freunden sind einfach unschlagbar. Nicht nur in Sachen Genuss – sondern vor allem wegen des Miteinanders, gegenseitiger Wertschätzung, kulturellen Verbundenheit und individueller, charakterlicher Bereicherungen. Gemeinsames Lachen inklusive.
Liebe Freunde der amourösen Skripturen und Texturen – auch ich bin ein begeisterter Briefeschreiber – ich werde demnächst wohl mal schöne Kartons zum „Verstauen“ kaufen müssen, um meine – zugegeben unbe-scheiden so benannten – Edeltexte und Zeitanalysen für die Nachlassverwalter ordentlich zu sortieren… Die Krönung meiner Schreibkunst jedoch erreichte übrigens im Januar dieses Jahres ihren Höhepunkt, als ich einer unerreichbaren französischen Schauspielerin meine 20 Jahre währende Liebe zu ihr in einem ersten Liebesbrief überhaupt gestand – 16 Seiten Blauer Brief mit schwarzer Tusche (zur Sicherheit eine Druckversion beigefügt) – und voller Anklänge an ihre mir bekannten und mich zur Liebe erweckenden Filme… Sie hat sich freundschaftlich mit einer wunderschönen Postkarte bedankt… und: Offensichtlich bin ich Spezialist für „Min-ne-Fernstenliebe“ – denn nun bin ich seit geraumer Zeit – es traf mich vor ein paar Monaten wie ein Schlag – in eine in diesem Jahr erst neu-entdeckte andere französische Schauspielerin verliebt, der ich zu schreiben gedenke, was sich seit bereits zwei Wochen „hinzieht“, denn es gilt darin auch, ihr Werk zu würdigen oder dem zumindest gerecht zu werden… Fürwahr stellt das Briefeschreiben eine vorzügliche Gelegenheit dar, sich selbst und seine Wünsche, Sehnsüchte, Begehren und Begierden, Auffassungen, Bilder, Absonderlichkeiten, Surrealismen etc. zu reflektieren – mit den Agentur- Mädchen hier in R-Ottensen geht DAS jedenfalls nicht!! UND ich frug mich und kam zu dem Schluss: Wenn mir die fernen Damen so viel zu geben vermögen – warum noch „reale Verhältnisse“ eingehen…? Seid gegrüßt – es rätselt weiter, Michael
Hola Michael, lebalcony.de – der Blog zu coolen Typen und Stories aus Winterhude bis darüber hinaus scheint seinen Meister gefunden zu haben. Kompliment zu den mannigfaltigen Kunstfertigkeiten und dem empirischen Wiederhall handschriftlich geschriebener Schöpfungen. Dem Weisheit- und Horizont-erweiterndem Momentum scheinen hier keine wahrnehmbaren Grenzen mehr gesetzt zu sein. Bestimmt wurden die Liebesbotschaften an die fernen Schönen jenseits des Rheins in lupenreinem, le plus élégant Français verfasst. Aus eigener Workshop-Erfahrung weiß ich, dass die Franzosen da ja sehr eigen sind, was den Gebrauch anderer Sprachen als eben jener der Grande Nation angeht. Zugegeben, mein Französisch lässt trotz schulischem Pflichtfach bis zum Abitur sehr zu wünschen übrig. Auch wenn ich es durchaus noch sehr weltmännisch hinbekomme, in einem französischen Restaurant die Rechnung zu bestellen, zuletzt in Lyon bei der Überführung eines McLaren-Honda gen Barcelona – zusammen mit einer ebenfalls sehr gut französisch beherrschenden Design-Repräsentantin. Sollte die Menschheit auf Grund unseres stimulierenden Inputs wieder einen erhöhtes Bedürfnis verspüren, handschriftliche, wohlüberlegte Briefe zu verfassen und zu versenden, dürfen wir uns glücklich schätzen, unseren nicht unerheblichen Beitrag dazu geleistet zu haben. Hasta luego compañero