In Zeiten von Home-Office, Social Distance „Hätte, hätte Infektionskette“ nehmen wir uns die Zeit zur linguistischen Durchleuchtung und werfen heute ein Auge auf die Redewendung „Holzauge sein wachsam!“ Wo mag jener Wortlaut wohl seinen Ursprung haben?

Die erste Hypothese bezieht sich auf die Zeit, in der man sich noch social-distance-mäßig in Ritterburgen einkesselte und ungebetene Besucher beim Zunahetreten mit allerlei Abstand wahrenden Gegenständen und Substanzen bewarf bzw. begoss: schwere Steine, siedendes Öl, geschmolzenes Pech, Spieße, Knüppel bis hin zu ausgedientem Küchengerät. Zusätzlich standen noch Bogen- und Armbrustschützen zur Verfügung, die per spitzem Pfeil ihr unmissverständliches „Keep Distance!“ bekundeten. Später nach Markteinführung des Schwarzpulvers wurden dafür auch Gewehre und Kanonen eingesetzt. Besonderes Augenmerk fällt hier auf die Schießscharten und die in manchen Burgmauern eingemauerten hölzerne Kugeln, die in der Mitte ein Loch hatten. Durch dieses konnte gespäht, oder per Schusswaffe gefeuert werden. Der Schütze konnte so durch das kleine Loch selber nicht getroffen werden. Dafür aber die Kugel sowohl zur Peilung der Lage, als auch zum Schießen wie ein Kugelgelenk bewegen. Die Verteidiger am „Holzauge“ hatten somit die verdienstvolle Aufgabe, entsprechend wachsam zu sein, um ungeladene Gäste frühzeitig zu entdecken und beherzt unter Feuer zu nehmen.

Die zweite Hypothese entstammt dem goldenen Schreiner – norddeutsch Tischler-Handwerk, in dem bereits seit zig Generationen Hobel zur Bearbeitung von Holz verwendet werden, bei denen eine gerade Klinge die oberste Schicht des Holzes hauchdünn abschneidet, damit die Oberfläche schön geglättet wird. Doch dem Hobeln wohnen auch seine Tücken inne. Und die heißen: Äste, oder auch „Holzaugen“, also die Punkte im Holz, an denen einst Äste aus dem Stamm wuchsen. Jene Stellen weisen deutlich mehr Härte auf als das restliche Holz. Wobei die Klinge des Hobels stumpf werden oder gar ganz aus dem Hobel herausbrechen kann. Per Warnruf „Vorsicht, ein Holzauge! – sei wachsam!“, signalisiert der Meister dem Auszubildenden, früher auch „Lehrling“, noch schöner „Stift“, dass arglistige Äste den Hobelbetrieb empfindlich stören könnten. So entwickelte sich mit der Zeit die bis heute angesagte Redewendung „Holzauge, sei wachsam!“ Hobel sei Dank. Selbst Hegel, stieg der Pegel, soll beim Zechen gerne ein herzliches „Holzauge, sei wachsam!“ ausgestoßen haben.

Die dritte Hypothese entstammt den heiligen Hallen von lebalcony.de während der Corona-Krise 2020.

Nach vollbrachtem Tagwerk im Home-Office schreite ich gen Balkon, jener richtungsweisenden Oase des Urban Gardenings, und entdecke, wie ein Sonnenstrahl eines meiner Interieur-Objekte aus Elisabeth Cawis Tempel der wunderbaren Dinge erleuchtet. Dramaturgisch untermalt von einem Ölgemälde der grandiosen Hamburger Künstlerin Bettina Hagen. Als wolle uns die Natur einen Fingerzeig auf die Schönheit der Welt geben. Als wolle die Seele unseres Planeten den Weg zu einem wachsamen Umgang mit den Dingen der Welt, zur Achtung des Lebens im Allgemeinen und zu gesundem Wertebewusstsein im Besonderen weisen. Als solle das Augenmerk gen neuer Erkenntnis gerichtet werden.

Was gestern noch ein Holzklotz war, blüht heute als strahlendes Auge auf. Und ein lächelndes obendrein. Es wäre ja durchaus nicht verwunderlich, wenn es Gesetz der Natur ist, unsere Spezies für ihren jahrhundertelangen Schindluder, den sie mit der Welt treibt, irgendwann ihren Tribut zollen zu lassen. Dem Wohlgedeihen des komplexen Ganzen unseres Planeten mit einer verantwortungsvolleren Neubesinnung und -einsicht nachzukommen, schiene dringend angemessen. Fehler, die gemacht wurden, sind ja grundsätzlich großartig – wenn man aus ihnen, entsprechende Schlüsse zieht – und daraus lernt. Ob das bei den Lenkern der Welt auch konsequent durchkommt, mag zugegebenerweise zu bezweifeln sein.

Um so wichtiger ist es, dass sich Bürger, Steuerzahler, Konsumenten, Leistungsträger, Menschen, wie du und ich, viel, viel stärker selber für die Anliegen der Welt einsetzen. Klar, dass kostet Energie, Zeit, Nerven. Lohnt sich aber, wenn man nicht akzeptieren will, nur noch anteiliger Partikel einer fremdgesteuerten Masse Mensch zu sein. Ganz alleine kriegt man das wohl nur selten hin. Deswegen ist es immer gut, sich miteinander auszutauschen, zu beratschlagen, zu unterstützen.

Je mehr am gleichen Strang ziehen, desto größer die Chance auf Verbesserung zum Guten. Wobei schon kleine, bescheidenen Beiträge gegen größeres Ungemach, wie die depperte Hamburger Busbeschleunigung, die rechtswidrigen Umtriebe der VHV-Versicherung, der Abriss des Kuhnsweg-Bunkers und die Airbnb-Vereinnahmung Hamburger Wohnraums allesamt zu einem Ergebnis zum Vorteil aller Betroffenen geführt haben. lebalcony.de berichtete. Das gibt einem durchaus das Gefühl, dass unsere Demokratie noch nicht vollends verloren ist. Man muss nur überproportional viel dafür tun.

Daher: „Holzaugen, bleibt wachsam!“

Sam Lazay

 

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