Barcelona. Mont Juix. Grad komm‘ ich vom Laufen. Dusche. Kaffee. Nebenbei wähl‘ ich die Tagesgarderobe. Währenddessen bügelt das Zimmermädchen meine weißen Hemden. Weiß steht mir einfach. Also fällt die Entscheidung auch heute auf frisch Gebügeltes in weiß. Das Hemd ist noch ganz warm.

Herrlich fühlt sich das an, so direkt auf nackter Haut. „Muchisimas gracias“, sag‘ ich der Señorita mit dem heißen Eisen. Großzügig gebe ich ihr einen Kuss auf ihre katalanische Zuckerschnute. Und wünsch‘ noch weiter frohes Schaffen. Jetzt brauch‘ ich mir nur noch eine Hose anzuziehen. Dann geht’s erstmal rüber ins Cal Marino in der Calle Margarit 54. Mein athletischer Body verlangt schließlich nach seinen gesunden Vitaminen.

Im Cal Marino lachen mich fröhliche Croquetas Iberico an.

 

Frische Bocadillos encontrados winken mit der Fahne gesunder Ernährung.

 

Und ein Häppchen feines Foie de gras kann auch nie verkehrt sein.

Also bestelle das gesamte Ensemble. Und wenn wir schon mal dabei sind – ich schau‘ auf die Uhr – ja, schon nach 13:30 Uhr. Passt. Ein munteres Estrella geht immer. Ausgiebig genieße ich die Freuden eines ausgewogenen Mittagstisches.

Dann passiert es: Ich spüre ein nervöses Zucken und Piepen in der Hose. Ach du meine Güte… mein Telefon. Eine unbekannte, espanische Numero blinkt mir entgegen. Mal wieder irgendein Computer, des Versicherungs-Marketings? Der Secret Service der Steuerfahndung? Sonstiges Parasitäres auf weiter Flur des täglichen Nervkrams? Oder hat sich einfach nur irgendein Grobmotoriker verwählt? Ach, nee, hab‘ grad keine Böcke dranzugehen. Unterschwellig verspür‘ ich allerdings auch irgendwie Positive Vibes.

Ok, also geh‘ ich trotzdem ran. Am anderen Ende eine sehr angenehme Stimme. Siehe da, ein richtiger Mensch. Dazu auch noch eine Frau. Erst kam mir das spanisch vor. Doch dann kam auch noch deutsch dazu. Bei solch charmanter Artikulation, dass ich mich gerne spontan zum Essen mit ihr verabreden würde. Mein erster Gedanke: lecker – und das in kristallklarem Hochdeutsch. Auch wenn hier und da eine Prise nasaler Konsonanten durchklingt. Was mich auf vertrauten Hamburger Ursprung schließen lässt.

Und die Stimme muss vermutlich auch ganz besonders lange Beine haben. Unüberhörbar. Besonders als sie beim Telefonieren die Beine übereinander legt und die Absätze ihrer High Heels auf dem Holzboden einer mallorcinischen Finca klackern. Ohrenscheinlich Schuhgröße 38, maximal 38 ½.

Sorry, an dieser Stelle darf natürlich nicht unerwähnt bleiben, dass seit meines fatalen Verkehrsunfalls 1984 als ich mich mit einem viel zu schnellen BMW bei Top-Speed versehentlich um einen Betonpfeiler wickelte, sich mein Hörsinn zu einem hochsensiblen Instrument der Kognition entwickelte.

Ein kleiner, angenehmer Nebeneffekt diverser schwerer Verletzungen, die damals im Stuttgarter Katharinenhospital durch etliche Operationen wieder neutralisiert werden konnten. Den fantastischen drei Chirurgen, die mich damals wieder zusammenbastelten und mir ohne sichtbare Spuren ein zweites Leben ermöglichten, möchte ich hier nochmals ein dreifach Hoch und ein ehrliches „Danke, Danke, Danke!“ aussprechen.

Durchs Telefon Farbe, Schuhgröße und Beinlänge einer Gesprächspartnerin eruieren zu können, ist natürlich Quatsch – und muss einfach durch die Lust des Autors am fantasievollen Schreiben entschuldigt werden. Zumindest habe ich den Eindruck, nach all dem Rumgeschnipsel an meinem Kopf wirklich eine klitzekleine Nuance besser zu hören. Zugegeben, das könnte auch daran liegen, dass alle meine zerborstenen, damals schon stolze 23 Jahre alten Original-Gehörknöchelchen durch smarte Keramik- und clevere Titan-Designs ersetzt wurden. Vielleicht ist mein vermeintlich verfeinertes Gehör aber auch einfach nur Einbildung.

Doch fand ich den Gedanken, per Ohr zu sehen, so lustig, dass es nicht verkehrt sein kann, auch andere damit zu erfreuen. Und aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen, dass der menschliche Körper bei extremen Verletzungen erstmal probiert, mit natürlichen Gegenmaßnahmen aufzuwarten. Hundertprozentig garantieren kann er das sicher nicht. Doch, dass er bei erlittenen Mankos zumindest versucht, gegenzusteuern, kann es durchaus zur Folge haben. Kann.

Daher, zurück zu meinem immer noch aufmerksam lauschenden Ohr: meine Gesprächspartnerin am anderen Ende der Verbindung verrät mir, dass sie mich vor kurzem auf dem Kongress der genussorientierten Führungskräfte im Palau Güell gesehen hat. Vor meinem geistigen Auge checke ich alle meine vermeintlichen Begegnungen auf jenem Kongress, kann aber weder Namen noch Stimme keinem meiner dort gemachten Kontakte zuordnen. Egal, man kann sich im Strudel der Reizüberflutung ja nicht alles merken. Offensichtlich scheint sich die wohlartikulierte Stimme auf lebalcony.de bereits ein umfassendes Bild von meinem Schaffen gemacht zu haben. Sehr löblich. Dann fragt sie mich: ob ich mir denn grundsätzlich vorstellen könnte, für ihre Company zu arbeiten? Nun ja, bis jetzt gibt es noch keinen Grund, das zu verneinen, also bejahe ich ihr säuselndes Begehr.

„Was dürfte ich denn für Sie tun?“ – frage ich mein telefonisches Gegenüber. Schließlich ist mein Tätigkeitsbereich als kreativer Allrounder äußerst vielfältiger Natur: Text, Design, Fotografie, Film, Ideen, Coachings, Creative-Direction… Eigentlich alles rund um Kommunikations-Projekte. „Genau deswegen!“ – gibt mir die Dame zu verstehen, „wäre ich die ideale Besetzung, um für eine mallorquinische Event-Company das Corporate-Design zu entwickeln. Und per individuellem, emotionalem Spirit über alle Kommunikationskanäle zu beflügeln.

Toll, Kunden, die sich ihrer Sache sicher sind, machen einfach Spaß. Wir reden über mein Honorar. Einigen uns. Das konkrete Briefing bekomme ich nach solchen Gesprächen normalerweise per E-Mail. In diesem Fall will mein Neugeschäfts-Kontakt jedoch, dass wir uns persönlich zusammensetzen und das Briefing gemeinsam festlegen. Gute Idee. Schließlich wollte ich ja auch sehen, ob ich mit meiner Wahrnehmung ihrer Telefonstimme doch richtig lag und sie tatsächlich so lange Beine hat.

Zwei Tage später flog ich von Barcelona nach Mallorca. Im Handgepäck-Köfferchen: meine Lauf-Sachen, frische Wäsche – ein Schreibblock und ein Filzi.

Bei einem großartigen Abendessen in Palma de Mallorca skizzierte ich damit meine ersten Ideen und Vorstellungen zum neuen Corporate-Appeal.

Zur Veranschaulichung grundsätzlicher Ideen sind Stift und Papier immer noch die beste Basis. Beides lässt Raum für Eigen-Interpretation, Gestaltungs-Freiheit, und Fantasie. Wie dann alles zum Schluss aussieht – und was am Ende dabei rauskommt, steht auf einem völlig anderen Blatt. Und weil unser erster Neugeschäftskontakt so gut läuft – und die anfängliche Telefonstimme wirklich unglaublich schöne, lange Beine hat, verbringe ich noch eine Nacht auf Mallorca, um am nächsten Morgen zur Auflockerung ein paar Kilometer am Strand zu joggen und nachmittags wieder zurück nach Barcelona zu fliegen. Ja, so macht man das.

Auf alle Fälle sind Stift und Papier eine höchst effiziente Präsentationstechnik. Wenn es Stimmung, Situation, Status zulassen. Und wenn man ein Händchen hat, damit zumindest ein bisschen umgehen zu können. Oder wenn man einfach nur Bock hat, coole Stories gegen das Ungemach der Zeit zu veröffentlichen. Und seinen Beitrag zu etwas mehr Lockerheit im lustvollen Umgang miteinander zu leisten.

Danke, lieber Filzi für deinen flotten Strich. Und danke, für die wunderbare Freundschaft, die bis heute daraus geworden ist

 

Sam Lazay

lebalcony.de – coole Typen und langbeinige Stories aus Winterhude bis darüber hinaus

 

Wenn euch die Geschichte erheitert, beflügelt, irritiert oder gar positiv ablenkt, dürft ihr mir das gerne in die Kommentare schreiben. Oder andere damit beglücken. Im Sinne eines persönlichen Erkenntnisgewinns weiß ich das um so mehr zu schätzen und zu würdigen. Muchas gracias compañeros

Mit oder ohne weißem Hemd – lasst uns optimistisch in die Zukunft blicken!

 

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Und die nächste Story läuft sich schon warm…